Weihnachtsmärkte 2013

Weihnachtsmärkte 2013 - Stress statt Stimmung?

von Christian Fürst, nmms

Die Hamburger Stadtväter sind auf einem guten Weg. Wenn es so weitergeht mit der alljährlichen Ausweitung der Weihnachtsmärkte in der City, dann düfte die Elbmetropole schon bald "Europas Weihnachtsmarktstadt Nr. 1" sein. Und Hamburger Stadtväter lieben solche Rekorde! Schon jetzt drängt es im Adventmonat Dezember Millionen zu den hübschen, aufwändig geschmückten Holzhäuschen, die inzwischen fast jeden freien Quadratmeter in der Innenstadt okkupieren. Schon ab 1600 ist kein Durchkommen mehr durch den zentralen Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus.et , und bis 2200 Uhr, wenn die Stände schließen müssen, steigt der Lärmpegel der feier-freudigen Bürogemeinschaften auf Gehör-schädigende Fon-Stärken an.Doch eine wirklich weihnachtliche Stimmung kommt trotz der großzügigen Weihnachtsdeko allenthalben nicht auf. In den Tagen vor dem "Fest" drängten die Menschen hier von Geschäft zu Geschäft. "Shopping" nennt man das ja heutzutage. Die meisten Gesichter versteinert, angespannt. In der freien Hand das Smartphone, in der anderen die diversen Einkaufstaschen. Das Lächeln ist den Shoppern offenbar gründlich vergangen. Erst der heiße und süße Glühwein, dessen aufsteigende Dämpfe eine fast schon besoffen machen, zaubert einen freundlicheren Ausdruck auf die Gesichter. 

"Fröhliches Saufen" statt "Fröhliche Weihnacht"

Vor einem Jahr um diese Zeit gab es in der City wenigstens noch einen alten Leierkastenmann, der an einer nicht verbauten Straßenecke sein "Stille Nacht" dudelte und damit recht ordentliche Einnahmen erzielte. Vielleicht auch deshalb, weil er eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Weihnachtsmann hatte. Jetzt sitzt vor der mit Millionen Leuchtdioden illuminierten Europapassage ein freundlicher rumänischer Akkordeonspieler und präsentiert virtuose Pariser Caféhaus-Musik. Doch irgendwie kommt seine Musik bei den "Shoppern" nicht an. Nicht wegen der Musik, fürchte ich, sondern weil er Rumäne ist. Als ersatz haben die Standbesitzer neue deutsche Weihnachtsschlager entdeckt. Allesamt jämmerlich - deutsche Schlagerqualität eben - Aber dieser Art musikalischer Untermalung hört eh niemand mehr zu. Weihnachtsmärkte sind Treffpunkte für alljährliche Bürofeste. Kinder sind kaum erwünscht und wurden in den allermeisten Fällen wohl zuhause gelassen. Nur ganz wenige verirren sich auf die Kinderkarussele. Es ist schließlich auch viel zu voll auf Hamburgs Weihnachtsmärkten der Innenstadt. Gelegentlich kommt es gar zum Stau unter den Fußgängern.

 

Köstliche Bratwürste und viel Deftiges zum betäubenden Glühwein oder Punsch 

Das Angebot an Speisen und Süßigkeiten ist in diesem Jahr riesig, und die Preise noch erträglich. Einige besonders hart gesottene Marktbesucher ziehen von Grill zu Grill, und zu jedem Gericht gibt's dann die unterschiedlichsten heißen Getränke, denen man oft den hohen Alkoholgehalt nicht anmerkt. Dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) ist die Stimmung gut. Das Durchschnittsalter der Besucher dürfte bei geschätzten 35 Jahren liegen. Doch weihnachtlich ist die Stimmung in diesem Jahr kaum. schon wegen der hohen Temperaturen. 

 

 

Der große Blues für Weihnachtsmann und Christkind

"Oh Mann, was für'n Scheiß!" - keiner will Rosen vom Weihnachtsmann - Und vom Christkind war weit und breit nichts mehr zu sehen

Wer in diesen Tagen mit Rauschebart auf der Mönkebergstraße auftritt, der hat's schwer. "Wer glaubt denn schon noch an den Weihnachtsmann" klagt ein junger Mann im roten Rock, der vergeblich versucht hat, zwei bereits mächtig müde aussehende Rosen an die Frau zu bringen. Tatsächlich verbergen sich hinter den meisten Masken und Kostümen inzwischen Menschen aus Rumänien oder anderen verarmten europäischen Gegenden, die in Hamburg auf ein wenig Nächstenliebe zum Frohen Fest hoffen. Doch wer den Weihnachtsrummel in Hamburgs Innenstadt verfolgt, der zweifelt heftig, ob die Mehrheit der Menschen hier überhaupt noch weiß, warum eigentlich Weihnachten gefeiert wird.  Tatsächlich ist der Anteil an Krippen oder Jesuskindern in der Wiege vergleichweise gering auf den verschiedenen Märkten. Stattdessen wimmelt es von rot-berockten Männlein aus Holz, Keramik oder Plastik, die allerdings eher aussehen, wie adipöse Mainzelmännchen. Vermutlich sind sie alle "Made in China". Kunstvolle Schnitzereien aus dem Erzgebirge findet man dagegen kaum noch.  

 

LED-Glimmer statt Weihnachts-Atmosphäre - "Last Christmas" statt "Oh Du fröhliche"

Die Vorweihnachtszeit in der Hamburger City ist in diesem Jahr eine einzige Lichterorgie. Millionen LEDs etwa verzieren die Stahlträger der Euopapassage. Überall strahlen die Lichterketten und beleuchten die breiten Wege zwischen den Marktständen. Angesichts dieser Entwicklung könnte man den Weihnachtsmarkt auch Ostermarkt nennen, Osterpunsch verkaufen und ein neue Lieder auf Englisch dem Osterhasen widmen. "Sie haben das falsch verstanden", sagte mir am Tag nach meinem Besuch eine junge Frau. "Beim Weihnachtsmarkt gehts doch gar nicht mehr um Weihnachten".

Und wie Recht sie hat! schließlich endet der Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz auch in diesem Jahr nicht mit dem Weihnachtsfest. Die Schau geht gleich nach den Feiertagen weiter - Bis zum Jahresende!

 

 

 

Ein wenig weihnachtlicher Wärme?

Bayerisches Humpsassa in Lederhosen - Der beliebteste Stand am Hamburger Weihnachtsmarkt ?

Alles dem Kommerz - Ein Frohes Fest? Aber welches??

 

 

Alle Fotos und Texte copyright Christian Fürst, 2013