Nostalgie-Schau: 100 Jahre Hamburger Hochbahn

Nostalgie auf Schienen: Hochbahn feiert 100 Jahre U-Bahn

von Christian Fürst, nmms

Sie dampfen nicht, stampfen nicht und schnauben nicht, und dennoch ziehen sie die Menschen magisch an: Mehr als 10 000 Hamburger pilgerten an diesem 3. Oktober zum Jungfernstieg, um die ältesten U-Bahnen der Hansestadt zu bestaunen.  Die "Hamburger Hochbahn AG",  Hamburgs städtische Nahverkehrsgesellschaft und die zweitgrößte in Deutschland, feiert in diesem Jahr den 100. Geburtstag der Jungfernfahrt ihrer ersten U-Bahn. Und so wurden zu diesem Feiertag alle Bahnen hervorgeholt, die - oft schon seit Jahrzehnten - in den HHA-Werkshallen gehegt und gepflegt werden. Allen voran der dunkelgrüne T11, der zusammen mit den anderen Museumsbahnen vor Tausenden begeisterter Zuschauer als erster über den Ring, Hamburgs erste U-Bahnstrecke, rollen durfte. Und weil die Hochbahn in diesem Jahr auch noch das 60. Jubiläum ihres Busbetriebs feiert, wurden sämtliche Bustypen aus diesen Jahren auf Hochglanz poliert und am Jungfernstieg vorgeführt.

 

 Nostalgie pur im U-Bahnhof Jungfernstieg. Ein "echter" ehemaliger Hochbahn-Mitarbeiter in passender Uniform und echtem Schnauz vor einem T11

 

 "Der Zug hat Einfahrt auf Gleis 3": Der erste von Siemens & Halske gebaute T11-Triebwagen der Hochbahn war die Attraktion - Foto: copyright Hamburger Hochbahn AG

 

Im Vergleich zu den wunderschönen und gar nicht so unbequemen Oldtimern, die erstmals am 15. Februar 1912 über Hamburgs Gleise rollten, wirken die modernen Triebwagen der HHA schon ein wenig einfallslos. Auch wenn die modernen Triebwagen wahre Wunderwerke der modernen High-Tech sind und natürlich erheblich bequemer, schneller und vor allem deutlich leiser unterwegs sein sollen als der grün-gelbe Urahn. Und dabei sind sie mit einer Spitzengeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern doppelt so schnell und verbrauchen weniger Energie als die schnauzbärtig wirkenden Dinos der U-Bahn-Geschichte.  

 

Pink, Modefarbe der Popartisten für einen städtischen Bus?? Die Hamburger finden*s zum Schreien

 

Erstaunlich, dass es in der hundertjährigen Geschichte der Hamburger Hochbahn  bis heute nur ein rundes halbes Dutzend verschiedener Generationen von Triebwagen in der Hansestadt gab, die seither Hunderte Millionen Hamburger Passagiere transportiert haben. Übrigens ging der erste Doppeltriebwagen (DT1) der Hamburger Hochbahn erst 1958 auf die Schiene. Er wurde bis 1991 eingesetzt. Bis heute wird ein Zug dieser Baureihe, der "Hanseat", noch als restaurierter Salonwagen mit Bar und Tanzfläche für Veranstaltungen vermietet. Der neueste Triebwagen der Hochbahn (DT5), die inzwischen mit Bus und Bahn alljährlich viele Millionen Hamburger befördert, soll Ende des Jahres erstmals eingesetzt werden. Und das zunächst wieder auf der Ringlinie U3.

 

 

Der "Hanseat"

 

 Farben und Rundungen - Design der 1950er Jahre. auch hier beim "Hanseaten", der dritten Generation von U-Bahn-Triebwagen.

Ein Haltegriff wie eine Prothese... Dazu die handgeschrieben wirkende Werbung! - Da muss der Man aus dem 21. Jahrhundert einfach zugreifen

 

Da fehlt nur noch der Nierentisch. Gemütlich wie eine Küche aus der Rock n'Roll-Zeit

  

 

Der Urahn: 3-Klassengesellschaft und Hand-Gemaltes auf der Ring-Linie

Er war der unangefochtene Star der Schau: Der 100-jährige T11, dem man seine Herkunft aus kaiserlichen Zeiten natürlich stark ansieht. Der T11 wurde noch ganz im Zeichen der herrschenden Klassengesellschaft gebaut. Offiziell gab es in den Triebwagen drei (3) Klassen. Die Dritte Klasse bot die übrigens gar nicht so unbequemen Holzbänke an (die Vorläufer der heutigen Holzklasse!!!). Deutlich bequemer präsentierte sich da schon die 2. Klasse mit ihren gepolsterten Sitzen, edlen Leuchten in der Holzdecke und gepflegten Messingbeschlägen. Eine Besonderheit des T11: Die 1. Klasse fehlte. Sie war ausschließlich dem Kaiser bei seinen Hamburg-Besuchen vorbehalten.

   Natürlich war der robuste Triebwagen zu Hundert Prozent Handarbeit. Alles wirkt hier gediegen. Selbst in der Holzklasse sieht man die Liebe zum Detail. polierte Messing-Beschläge, die Jugendstil-Leuchten. Dazu die Emaille-Schilder mit Schmunzel-Werbung. An der Decke die handgemalt wirkende Karte mit den rund 20 Stationen der U-Bahnlinie. Und dann erst die Hinweis- und Verbotsschilder, die man bis heute - wenn auch in modernisierter Form - in fast allen U-Bahnen der Hansestadt noch finden kann.

 

   Schönes und Zweckmäßiges vereint: Öffentlicher Nahverkehr im frühen 20. Jahrhundert

 

 

"Ja" zur Gleichberechtigung - Aber ohne Hutnadeln?

Schon vor Hundert Jahren nutzten die Leiter der öffentlichen Verkehrsbetriebe die U-Bahn zur Erziehung ihrer Fahrgäste. Überall findet man auf großen Emaille-Schildern den Hinweis: "Nichtraucher". Immerhin heißt es dort nicht nicht "Rauchen verboten!". Jugendliche werden ermahnt, ihren Sitzplatz bei Bedarf älteren Fahrgästen zu überlassen. Und wer seine Fahrt in dem bis zu 40 Stundenkilometer schnellen Zug SICHER beenden wollte, wurde aufgefordert: "Vor dem Aussteigen wolle man sich rechtzeitig an die Tür begeben. Man halte sich an den Handgriffen fest!" - Ähnliche, ein wenig lächerlich klingende Ratschläge kann man auch heute noch auf Hamburger Fähren lesen.

Was die Direktion der Hochbahn sich dachte, und wen sie im Auge hatte, als sie folgendes Schild unter der Decke der Waggons anschraubte, ist heute nur schwer verständlich: "Damen mit unverdeckten Hutnadelspitzen sind von der Beförderung ausgeschlossen". Wollte man damit etwa mögliche Terroranschläge von Blaustrümpfen verhindern. Nach dem Motto "Frauen ja, aber bloß keine gleichberechtigten"????  Immerhin gibt es in diesen Zügen von 1912 keine nach Geschlechtern getrennten Abteile (wie heute etwa noch in Indien). Und sicher sollte das folgende Werbeschild auch Mann und Frau ansprechen: "So nötig, wie die Braut zur Trauung ist Bullrich-Salz für die Verdauung!"

 

"Rauchverbot" schon vor 100 Jahren. Und das nicht nur in der Holzklasse! - Streckennetzkarten gab es schon 1912. Allerdings waren sie auf die Decke der Wagen gemalt.

 


 

Zum Thema Hamburger Hochbahn finden Sie Infos unter anderem bei der Hamburger Hochbahn

Die pdf-Broschüre zur Ausstellung mit guten Bildern gibts hier

 

Viel zur Geschichte und Entstehung der Bahn gibts natürlich auch bei Wikipedia

 

 

Alle Bilder und Texte dieses Beitrag sind - mit Ausnahme des zweiten Fotos (Dank geht an die Hamburger Hochbahn) copyright Christian Fürst, 2012

 

CF