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Auszug aus einem Artikel der "Welt":

"... es in der Großstadt wohl vor allem das veränderte Kommunikationsverhalten der Bewohner, das den sogenannten bürgerlichen Gaststätten den Garaus macht. Das klassische Thekengespräch findet heute auf Facebook statt zitiert das Blatt den Freizeitforsche Horst W. Opaschowski, der die Gründe für das rapide Kneipensterben auch in den neuen, sozialen virtuellen Netzen sieht. "Statt sich in der Kneipe zu verabreden und zu treffen, findet das klassische Thekengespräch heute auf Facebook statt", sagt er. "Die Kneipe als zweites Wohnzimmer hat ausgedient. Nur noch alte Herren wie mich findet man dort mehr oder weniger einsam bei einem Getränk." Letzteres ist natürlich ironisch zu verstehen.

(...) Der geübte Beobachter sich verändernder Gesellschaftsstrukturen macht zudem das zunehmende Auseinanderdriften gesellschaftlicher Schichten für das Aussterben der klassischen Gaststätten verantwortlich. "Die Jungen bleiben lieber unter sich", sagt Opaschowski. "Ich habe sie einmal die ,Generation Coffee to go' genannt, weil sie von Event zu Event und Location zu Location wandert. Und die ,Generation Golf' geht lieber in die guten Restaurants oder in ihren Golfklub. Die Gaststätte als Treffpunkt unterschiedlichster Menschen hat weitgehend ausgedient."

Weniger Bierkonsum ?

Peter Wippermann, als Trendforscher und Gründer des Trendbüros Hamburg nicht weniger erfahren bei der Analyse menschlicher Bedürfnisse und Verhaltensweisen, sieht auch im veränderten Trinkverhalten, sprich im zurückgehenden Bierkonsum, einen Grund für das Aussterben von Eckkneipen. "Wer sich nicht schnell genug umgestellt hat, dem gehen die Gäste verloren", sagt er. "Kneipenbesucher von heute sind eher Szene-Lokal-Besucher. Anders als früher gehen sie nicht in jeder Stimmung in ihre Kneipe im Wohnviertel, sondern suchen sich die Lokalität aus, die zu ihrem Gefühl passt."

 

Hier der komplette Artikel:

http://www.welt.de/regionales/hamburg/article106165264/Zahl-der-Gaststaetten-um-48-Prozent-gesunken.html

Kneipensterben - Drei Große auf einen Streich

Nieder mit der Tradition! - Kneipensterben in Hamburg

von Christian Fürst, nmms

Hamburg erlebt zurzeit ein beispielloses Kneipensterben. Nach offiziellen Berechnungen wurden in den vergangenen zehn Jahren etwa die Hälfte aller Lokale dicht gemacht. Mehr als irgendwo sonst in einer deutschen Großstadt. Darunter waren vor allem viele Traditionskneipen und Speiselokale. Experten machen für den traurigen Tod der Gastronomie vor allem die veränderten Ausgeh-Gewohnheiten der jüngeren Generationen verantwortlich.  Immer weniger junge Leute hätten "ihre" Stammkneipe, so heißt es; vielmehr wechselt die Generation Twitter und Facebook - durch die moderne Arbeitswelt zur größtmöglichen Flexibilität gezwungen - die Esslokale und Bars der eigenen Stimmung entsprechend. Auf der Strecke bleiben die gemütlichen Restaurants oder nostalgische Eckkneipen. Allein in Eimsbüttel machten in den vergangenen Wochen mindestens drei Lokale dicht, die Jahrzehnte-lang Kult-Status hatten. Unter ihnen Hamburgs berühmtester Jazzclub "Birdland", der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. 

Sehr hart traf es jetzt den Stadtteil Eppendorf, aber auch das inzwischen fast schon kultige Schanzenviertel. Eppendorf wird seit Jahrzehnten von den Maklern als besonders "stilvoll" vermarktet.  Wer sich hier eine Wohnung (und sei's auch nur zur Miete), oder gar ein Haus leisten kann, der gehört zur "gehobenen Mittelschicht", wenn nicht sogar zu den oberen Hunderttausend der 1,7 Millionen-Stadt. Ganz Eppendorf, das noch im 19. Jahrhundert ein Dorf außerhalb der Hamburger Stadtgrenzen war, wird zunehmend zum Spekulationsobjekt, aber auch zum Magnet für wohlbetuchte Gäste, die sich in der hier besonders hoch konzentrierten Fresslokal-Szene und modischen Bars besonders gern zeigen. Das Schanzevirtel wiederumhat zwar einen schlechten Ruf als Brutstätte revolutionärer Bewegungen und militanten Widerstands rund um die "Rote Flora". doch das hält Investoren nicht davon ab. Die Gegend wegen seiner Exotik zu vermarkten. Und nun schließt hier ein Traditionslokal nach dem anderen, weil die Wirte die explodierenden Mieten nicht mehr zahlen können.

Das Ende der Ära "Klopstock" 

"Gutbürgerlich", war das Markenzeichen der Küche  im Klopstock ganz in der Nähe des schönen Hamburger Mühlenteichs, der direkt mit der Alster verbunden ist und im Winter die berühmten Alsterschwäne beherbergt. Ursprünglich gehör das Lokal zu einer Gruppe traditionsbewusster Hambuger Gaststätten, die sich alle durch ihr besonders schönes Ambiente auszeichneten. Die Schließung kam für die meisten Gäste überraschend, aber auch hier war wohl der Zeitgeist schuld. Die alten Stammkunden sterben aus!

 

 

Als hätte die Zeit stillgestanden: Ein Gastraum im "Klopstock" 

 

Im Gegensatz zur Ankündigung im Internethatte das "Team des Klopstocks" keine Ahnung, was die Zukunft bringen wird. 

 

"Zukunft ungewiss" : Das dürfte auch für jedes Nachfolgelokal des inzwischen geschlossenen "Klopstocks" gelten

 

Es leb(t)e der Grill-Imbiss an der Ecke! 

Am gleichen Tag wie das "Klopstock" schloss AnfangJuli an der U-Bahnstation "Eppendorfer Baum" nach 25 Jahren der "Grill-Imbiss", für den die Stammgäste in den Wochen zuvor vergeblich gekämpft hatten. Die kleine Stehkneipe wurde Opfer der geplanten und sicher auch notwendigen Modernisierung des U-Bahnhofs, der - wie viele andere in der Hansestadt - einfach nicht Behinderten-gerecht waren. Und genau dort, wo ein Viertel Jahrhundert lang Würstchen vom Grill oder halbe Hähnchen verkauft und verzehrt wurden, soll demnächst der Fahrstuhl stehen. Extra für diesen Umbau wurde der gesamte Bahnhof sogar mehrere Wochen gesperrt. Zwa soll nach dem Umbau ein neues Lokal innerhalb der U-Bahnstation entstehen, doch dürfte das eher dem "neuen" Zeitgeist entsprechen, als die populäre Würstchenbude. 

 

 

 Die SPD-Mehrheitsfraktion in der zuständigen Bezirksversammlung merkte offenbar erst 10 Tage vor der Schließung des Imbisses, dass hier eine Eppenorfer Institution bedroht war

 

Ich wurde zufällig Zeuge, als der bisherige Pächter, Uwe Birke, seine letzten Würstchen über die Theke verkaufte. Ganz zum Schluss verschenkte er noch eine Holzfigur, die hier schon seit vielen Jahren herumstand, an eine Stammkundin. Birke, der künftig eventuell eine Würstchenbude in einem alten Greyhound-Bus aufmachen will: „Diese Art Imbiss, wie ich sie führe, stirbt aus. Wenn hier etwa Neues reinkommt, wird es bestimmt die Bäckerei einer Kette“, vermutet er.

 

Ein trauriger Anblick: die Umbauarbeiten kommen voran, doch der Imbiss hat an dieser Stelle keine Chance mehr..

Vermutlich gibts hier demnächst das 100 000. "Coffee to go" in der Hansestadt

 

Alle Texte und Bilder copyright Christian Fürst, 2013