Ohlsdorfer Friedhof im November

Autumn Leaves  in Ohlsdorf - Der Größte Parkfriedhof Europas im November

von Christian Fürst, nmms

Eigentlich hatten wir alle Nebel erwartet.  Ein Friedhof im traurigen Monat November? Da musste einfach Nebel her; Nebelschwaden, die Gräber und Landschaft jenen mystischen Charakter verleihen, den wir mit den letzten Ruhestätten unserer Toten verbinden. Der Hamburger Parkfriedhof im Stadtteil Ohlsdorf ist prädestiniert dafür. Eine weitläufige, abwechslungsreiche Landschaft mit einem Bestand von allein 450 verschiedenen Nadelbaumarten. Kleine Teiche, hinter dichten Hecken und Büschen versteckte Grabstätten und verfallene Grabmäler schreien geradezu nach diesem Schleier des Nebels. Doch der Morgen war zwar grau, aber klar, und dann brach die kalte Sonne des Spätherbstes durch den Hochnebel. Blendendes Gegenlicht, das selbst die modernen Digitalkameras der Gruppe von Amateurfotografen nicht mehr verkrafteten, die gekommen waren, um "Ohlsdorf im Nebel" zu portraitieren.

 

 

Totensonntag im größten Parkfriedhof Europas

 

140 Jahre nach seiner Gründung sind nur wenige der alten Gräber intakt

 

Hamburg nennt den Ohlsdorfer Friedhof in hanseatischer Bescheidenheit schlicht den "größten Parkfriedhof der Welt". Mit seinen 391 Hektar Fläche (3,91 Quadratkilometer) ist er deutlich größer, als etwa der berühmtere Wiener Zentralfriedhof (2,15 Quadratkilometer). Dort wiederum liegen mit geschätzten drei Millionen Toten erheblich mehr auf engstem Raum, als in dem Hamburger Park, wo bisher rund 1,4 Millionen Beisetzungen registriert sind. Das wiederum beweist, was die alten Wiener seit vielen Jahren wussten: "Der Tod, das muss ein Wiener sein!".  

 

 

Anders als etwa in Wien muss man die Gräber in Ohlsdorf fast schon suchen. Sie verstecken sich nicht selten hinter wild-romantisch zugewachsenen Hecken. Nicht wenige wurden erst in den vergangenen Jahren durch die Gärtner der Stadt wieder frei gelegt. Wer auf dem Friedhof beigesetzt werden will, hat inzwischen die große Auswahl. Zwölf Kapellen und Aussegnungsräume gibt es hier ebenso, wie eine großes, denkmalgeschütztes Krematorium. Anonyme Urnenbestattungen auf einer großen Wiese ("Bitte nicht betreten!" heißt es da) sind heute ebenso möglich, wie die Unterbringung im sogenannten Kolumbarium, wo man seine reichlich verzierte Urne im Schaukasten aufstellen kann: Zum Jahresmietpreis von 250 Euro (siehe Preisliste am Schluss des Features). Natürlich gibt es auch einen recht großen jüdischen Friedhof (gleich nebenan) und einen "Frauen-Garten". Sogar eine (etwas mickrig geratene) Erinnerungsstätte für die Seelen abgetriebener Kinder oder die Fehl- und Totgeburten findet man.

Eigentlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass "für jeden Geschmack etwas dabei ist" auf diesem Friedhof. Zwar sind die meisten der imposanten Mausoleen, die sich vornehme Hamburger um die Wende zum 20. Jahrhundert bauen ließen, inzwischen weitgehend verfallen. Gerade darin aber liegt für Liebhaber eines "exotischen Bestattungs-Gefühls" heute die Chance. Die Friedhofsverwaltung nämlich gibt schöne und geräumige Grabstätten äußerst günstig ab, vorausgesetzt, der neue Besitzer repariert und restauriert sie. Auch der Hamburger Bauunternehmer und Restaurator Werner Carstens (siehe Hintergrund am Ende des Features) hat sich so in den vergangenen zehn Jahren eine letzte Ruhestätte geschaffen, die sich wieder sehen lassen kann.

 

 

Wer Geld hat und auf dem Ohlsdorfer Friedhof liegen will hat alle Möglichkeiten für "eine exklusive Graberfahrung" - Hier ein Familiengrab in Form eines Konferenzsaals

 


Urnen im sogenannten Kolumbarium auf dem Ohlsdorfer Parkfriedhof

 

Herr Carstens und sein künftiges Heim

Als Werner Carstens vor zehn Jahren sein künftiges Zuhause kaufte, machte er Schlagzeilen. Dabei hatte der norddeutsche Bauunternehmer nicht etwa ein Luxusheim erstanden. Doch das Häuschen "in absolut ruhiger Lage" erregte dennoch Aufsehen. Denn das kleine und reichliche baufällige Gebäude steht mitten auf dem weltgrößten Parkfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf. Um das verfallene Mausoleum und eine Reihe weiterer, vom Einsturz bedrohter Grabmale zu retten, war die Friedhofsverwaltung auf die Idee gekommen, die Bauwerke praktisch zu verschenken. Einzige Bedingung: Die neuen Besitzer mussten sich verpflichten, ihren neuen Besitz zu restaurieren oder zumindest vor dem weiteren Verfall zu schützen.

Werner Carstens, inzwischen 69, arbeitete fortan an seinem Häuschen. "Eines Tages komm ich selbst da rein", meinte er am Totensonntag freundlich lächelnd bei einer kleinen Jubiläumsparty neben dem inzwischen weitgehend wiederhergestellten Mausoleum. Den privaten Mercedes direkt neben Grabmal geparkt, warteten er und seine Familie mit Sekt, heißem Punsch und einem opulenten kalten Buffet auf seine Gäste.

Rund 5000 Euro hat Carstens für die Patenschaft über das 1911 errichtete Totenhaus gezahlt. weitere 8000 Euro investierte er bis 2002, um das Denkmal zu restaurieren. Wieviel er seither in das Haus steckte, ist nicht bekannt. Fest steht aber, dass Carstens sein Mausoleum ungewöhnlich elegant gestaltet hat. Dunkeltrot abgesetzte Wände, zierliche, schwarze Korbsessel und auf dem Tisch ein großer Strauß schwarzer Rosen wirken fast einladend. Und auch die zwei schlanken Urnen, die eine weiße Marmorfigur umrahmen, mögen den Besucher nicht schockieren.

Die Friedhofsleitung jedenfalls hatte keine Einwände und freut sich über die professionelle Aufarbeitung des Denkmals. Und Carstens selbst hat natürlich noch lange nicht vor, endgültig ins Mausoleum zu ziehen. Immerhin sei sein Vater 93 Jahre alt geworden, sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Da könne er doch wohl noch mit ein paar Jährchen rechnen. Oder?

   

 

 

Werden  -  Sein - Sterben

Versteckt hinter einer hohen und dichten Hecke fanden wir dieses Triptychon, dass die drei Phasen des menschlichen Lebens symbolisiert: Geburt, Blüte des Lebens und Tod. Mich hat auf dem (mehrheitlich protestantischen) Friedhof immer wieder die Darstellung der Paare überrascht, die meist alles andere als welt-abgekehrt und gelegentlich sogar erotisch erscheinen. Die kunstvoll aus dem Stein gemeisselten Tränentüchlein des Wiener Zentralfriedhofs sucht man hier meist vergebens.

 

 

 Werden - Sein - Sterben  - nannte der Bildhauer diese eindrucksvolle Skulptur, die - heute hinter Hecken versteckt - unmittelbar neben einer der Haupt-Durchgangsstraßen steht

 

Hier gibt es Infos zum Ohlsdorfer Friedhof: www.friedhof-hamburg.de/ohlsdorf.html

 

 

Ausschnitt aus der Gebührenordnung des Ohlsdorfer Friedhofs

 

 

 

 

Ein Friedhof für die Bürger, der zum Spazierengehen einlädt