Suche

Hintergrund - Sturmflut

(Wikipedia)

Eine Sturmflut ist ein durch Sturm mit auflandigen Winden erhöhter Tidenstrom. Von einer Sturmflut wird gesprochen, wenn der Tidenhöchststand das mittlere Tidenhochwasser um 1,5 Meter oder mehr übersteigt. Ab 2,5 Meter wird von einer schweren Sturmflut und ab 3,5 Meter wird von einer sehr schweren Sturmflut gesprochen. Sturmfluten treten verstärkt im Frühjahr und im Herbst auf. Die Deutsche Bucht ist nach Ansicht des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) eines der am stärksten von Sturmfluten bedrohten Gebiete weltweit. Bedingt durch die Geographie der Nordseeküste und den Trichtereffekt der Elbmündung tritt dieses Phänomen dort häufiger auf als anderswo. Sturmfluten bedeuten eine Gefahr für die betroffenen Küstenregionen durch Überschwemmungen, soweit sie die von Menschen geschaffenen Deiche durchbrechen. Sturmfluten verleihen Wellen eine erhebliche Energie. Im Mittelalter veränderten im Nordseebereich Sturmfluten den Küstenverlauf und schufen großräumige Meeresbuchten wie den Jadebusen und den Dollart.

 

Die Sturmflut 1962

Bei der Sturmflut von 1962 kam es zu einer Flutkatastrophe an der deutschen Nordseeküste und an den Unterläufen von Elbe und Weser sowie ihren damals noch ungesicherten Nebenflüssen wurden hohe, vorher nicht beobachtete Wasserstände erreicht. Vor allem an den seit der Flutkatastrophe von 1953 (Hollandsturmflut) noch nicht erhöhten Deichen in diesen Flussgebieten kam es zu schweren Schäden und zahllosen Deichbrüchen, wohingegen die Seedeiche trotz schwerer Schäden bis auf wenige Ausnahmen den Fluten standhielten. Insgesamt waren 340 Tote zu beklagen.

Außergewöhnlich schwer betroffen war das Unterelbegebiet mit der Hansestadt Hamburg, wo vor allem der Stadtteil Wilhelmsburg durch Deichbrüche in Mitleidenschaft gezogen wurde; dort starben die meisten der in Hamburg insgesamt zu beklagenden 315 Todesopfer. Ursächlich für das Ausmaß der Katastrophe in Hamburg waren gravierende städtebauliche und verwaltungsorganisatorische Mängel sowie technisch unzureichende und sich teilweise in einem schlechten Pflegezustand befindliche Deiche und andere Hochwasser-Schutzeinrichtungen.

 

 

 

Sturmflut 2013 - "Land unter" am Fischmarkt

"Land unter"! - Große Flutwelle schwappt über den Hamburger Hafen

von Christian Fürst und Andreas Pawlouschek, nmms 

 

Diese Biilder von Andreas Pawlouschek zeigen, welche Wassermassen "Xaver" am 6. Dezember in die Elbe gedrückt hat. Die benachbarten Straßen und Wege am Elbufer sind am Nachmittag überflutet. Dabei ist die zweite Flutwelle deutlich niedriger, als die vom Morgen. Das zweite Bild von AP (unten) entstand 24 später. 

 

 

"Land unter" an den Landungsbrücken

45 Minuten, nachdem die Flutwelle ihren Scheitelpunkt erreicht hatte, wurde dieses Bild aufgenommen. Die Landungsbrücken waren überflutet. Doch einige Fähren fuhren noch

 

"Sie wollen zum Hafen? Aber der ist doch überflutet!" warnte mich eine nette ältere Dame in der U-Bahn. "Das ganze Gebiet ist doch überschwemmt und abgesperrt", sagte sie. Für einen Journalisten ist dies natürlich eine besondere Herausforderung, dachte ich mir und bedauerte, dass ich noch immer keine Gummistiefel besaß und mit meinen nicht wasserfesten Halbschuhen wenig professionell daher kam. Umso größer war meine Enttäuschung nach der Ankunft an der Station "Landungsbrücken". Auf den ersten Blick sah es auf der Elbe aus, wie an jedem anderen Morgen. Die Docks am gegenüber liegenden Ufer ebenso hell beleuchtet, wie die Fähranleger. Nur die "Rickmer Rickmers" schien ungewöhnlich hoch im Wasser zu liegen. Doch dann, an den Landungsbrücken selbst, sah ich das ganze Ausmaß der Flutwelle. So hoch war der Wasserspiegel der Elbe gestiegen, dass die beweglich aufgehängten Brücken zu den schwimmenden Fähranlegern recht steil nach oben führten. Gewöhnlich gehts hier "bergab". Mit 6.07 Metern lag der Scheitel der Flutwelle vom 6. Dezember noch um rund 40 Zentimetern über dem Hochwasser der Sturmflut von 1962, die allein Hamburg mehr als 300 Menschen tötete. Dennoch konnten Neugierige und Reisende den schwimmenden Fähranleger über eine andere Brücke betreten, Und trotz der höchst widrigen Witterung fuhr sogar die HADAG-Linie 62 von Brücke 3 direkt nach Finkenwerder, so dass Mitarbeiter von Airbus wenigstens zur Arbeit fahren konnten. 

 

   An normalen Tagen neigt sich diese Brücke steil nach unten in Richtung Elbe. Das starke Hochwasser drückte sie jetzt nach oben

 

Bild Nr. 7 zeigt die Brücke zu einem Fähranleger bei normaler Wetterlage (Archivbild). Die Treppe neigt sich stark nach unten. Bild Nr. 8 wurde etwa 2 Stunden nach dem Höhepunkt der Flutwelle aufgenommen. Der Pegel ist bereits wieder um etwa 50 Zentimeter gesunken

 

Auf Hamburgs Fischmarkt stand das Wasser mannshoch

Die Bewohner rund um Hamburgs Fischmarkt sind an Sturmfluten gewöhnt, und "Land unter" heißt es hier praktisch mindestens einmal im Jahr. Doch die Wassermassen, die mit der Sturmflut vom 6. Dezember 2013 über das Elbufer schwappten, lagen weit über dem üblichen Maß. Auf dem großen Platz vor der historischen Fischauktionshalle, wo sonst jeden Sonntag die Fischhändler den Besuchern ihre Angebote entgegen schreien, erreichte der Pegel gute zwei Meter. Doch Dank der vorsorglichen Schutzmaßnahmen des Hamburger Katastrophenzentrums hielten sich die Folgen für die Anwohner des großen Platzes in berechenbaren Grenzen.  Rechtzeitig wurden die Fluttore geschlossen und aus einigen besonders exponierten Häusern und Wohnungen wurden die Mieter in Sicherheit gebracht. Und so konnten Besucher am frühen Sonntagmorgen in aller Ruhe über die noch begehbaren Straßen und Fußwege stapfen und ungehindert fotografieren. Wie gut die ständiger Überschwemmungsgefahr ausgesetzte Infrastruktur in dem Gebiet ist, konnte man daran erkennen, dass selbst die zu zwei Dritteln im Hochwasser steckenden Straßenlampen noch brannten und es nicht einmal zu Kurzschlüssen kam.

 

 Über die fast vollständig im Hochwasser versunkene eiserne Brücke gehen gewöhnlich Benutzer der Hamburger Fähr-Dienste zum Fähranleger "Fischmarkt". Bereits zwei Tage nach der Flut, also am Sonntag, war der Spuk jedoch schon wieder vorbei. Die Fischhändler warben auf dem Platz lautstark um Kunden für ihre Aale und junge Touristen aßen Fischbrötchen nach durchzechter Nacht.

Und so sieht es vor der Fischauktionshalle an dem Fähanleger aus, wenn die Gezeiten der Elbe "normal" ausfallen (Archivbild).

 

 

Bilder 6 + 7 zeigen die Position des in der Elbe liegenden alten U-Boot-Museums während des Hochwassers und bei Ebbe. Bild 9 ein geschlossenes Fluttor. Bild Nr. 18 zweigt das "Wohnzimmer" von zwei Obdachlosen, die hier unter einer Fußgänger-Brücke an der Elbe seit vielen Monaten kampieren. Offensichtlich hatten sie wegen der Flut die Flucht ergriffen. Die "second-hand" Bücher, die sie hier zum Verkauf anbieten, dürfte Regen und Sturm zerstört haben.

 

Die zweite Flutwelle

Zwar fiel die zweite Fluwelle am frühen Abend deutlich geringer aus, als die erste, doch auch hier überschwemmte die Elbe das Ufer und die anliegenden Straßen und Plätze. Eindrucksvoll die Wirkung auf den inzwischen auch Touristen bekannten Museumshafen. Die Flut hob die dort liegenden Schiffe praktisch auf Straßen-Niveau an. Ein seltenes Schauspiel. Das Wasser drängte in die kleinen Gassen und Wohngebiete in Ufernähe, ohne aber größeren Schaden anzurichten. Doch schon am Tag danach begannen die Anwohner mit den Aufräumarbeiten.

 

Ein Schiff auf "Augenhöhe". Das Hochwasser hat die Schiffe des Museumshafens auf Straßenhöhe gedrückt

 

Das große Aufräumen

 

 

Verrammeln und verriegeln so gut es geht, ist die Devise der Anrainer am großen Fluss vor der Flut. Dann vergehen bange Stunden, während das Hochwasser mit Urgewalt gegen Mauerwerk, Fluttore und Abdichtungen drückt. Zu neunzig Prozent seien die Fluttore dicht, versprechen die Hersteller. Doch was werden die zehn Prozent Wasser angerichtet haben, die ins Innere von Häusern, Kellern oder Kassematten eingedrungen sind, fragen sich nicht nur Wirte und Mitarbeiter der zwei kultigen Cafés am Strand von Oevelgönne, der „Strandperle“ und dem direkt daneben liegenden, nicht unbedingt freundschaftlich verbundenen „Ahoi“.  

Bis über die Neonreklame war das Wasser um mehr als sechs Meter angestiegen. Als die Elbe wieder dort floss, wo sie hingehört, Stahltore und Holzverschläge geöffnet wurden zeigte sich auch hier, dass es schlimmer hätte kommen können. Zwar stand noch etwas Wasser in den Räumen, das sich aber überwiegend durch das Mauerwerk gedrückt hatte. Schlick und Schlamm warteten darauf, beseitigt zu werden. Größere Schäden wurden aber nicht gemeldet und so wurden bereits wenige Stunden nach dem letzten Hochwasser wieder Tee, Kaffe aber auch schon mal ein Glas Sekt über den Tresen des „Ahoi“ gereicht. So leicht bringt man die Menschen an der Waterkant eben nicht aus der Ruhe. Nebenan, in der „Strandperle“ wurde zu dieser Zeit noch eifrig gehämmert… Doch auch hier konnte aufgeatmet werden. Die traumatischen Ereignisse der großen Fluten von 1962 und 1976 hatten sich glücklicherweise nicht wiederholt.

 

Der Fischmarkt aus Touristen-Sicht

Wie wenig Eindruck die bedrohliche Sturmflut letztlich auf die Hamburger machte, mag daran zu sehen sein, dass bereits zwei Tage nach der Überschwemmung wieder der sonntägliche Fischmarkt über die Bühne ging. Die folgenden Bilder sind allerdings Archivaufnahmen von CF.

So sah es vor der Fischauktionshalle während des Deutschen Evangelischen Kirchentags im Mai aus, als sich dort zehntausend Gläubige zu einem Gottesdienst versammelten. Sie alle wären am 6. Dezemeber im schnell steigenden Hochwasser wohl ertrunken.

 

 

Alle Texte und Bilder

copyright Christian Fürst, 2013

und Andreas Pawlouschek, 2013