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FAKTEN zu Wilhelmsburg

Wilhelmsburg ist ein Hamburger Stadtteil im Bezirk Hamburg-Mitte. Wilhelmsburg ist der flächenmäßig größte Hamburger Stadtteil und hat nach Rahlstedt, Billstedt, Eimsbüttel, Bramfeld und Winterhude die sechstgrößte Einwohnerzahl. Im Jahr 2009 waren 21,7 % der Bevölkerung jünger als 18 Jahre (Hamburg: 15,6 %), 55,2 % hatten einen Migrationshintergrund, unter den Jugendlichen lag diese Zahl bei 73,3 % (Hamburg: 28,1 bzw. 42,2 %)

Ehrung für den Fluten-Retter: Helmut-Schmidt-Gymnasium

Ungewöhnliche Ehrungen zu Lebzeiten für müden Helmut Schmidt

Helmut Schmidt, der mit fast 94 Jahren noch immer agilste Altkanzler der Bundesrepublik, erfährt in seiner Heimatstadt Hamburg zurzeit Ehrungen, die gewöhnlich nur Toten vorbehalten sind. In dieser Woche wurde ein Gymnasium auf der multi-ethnischen Elbinsel Wilhelmsburg nach ihm benannt. Schmidt wirkte sichtlich erschöpft, die Anstrengung war ihm ins Gesicht geschrieben, aber er nahm vor den Schülern seine Vorbild-Funktion ernst. Christian Fürst beobachtete die Zeremonien.

 

 

"Heilig-Sprechungen" haben in der katholischen Kirche Seltenheitswert und erfolgen stets in gebührendem zeitlichen Abstand zum Tod. In Hamburg, der protestantischen Hansestadt, ist man nicht so pingelig mit solchen Gebräuchen. Die Elbstädter machen aus ihrer tiefen Verehrung für den einstigen SPD-Kanzler Schmidt kein Geheimnis. Und so widerfahren dem greisen Altpolitiker - nicht erst in jüngster Zeit - Ehrungen, wie sie weniger geliebten Persönlichkeiten oft erst viele Jahre nach ihrem Ableben zuteil werden.

Helmut Schmidt, der im Dezember 94 wird, lässt die Ehrungen brav und mit bewundernswerter Disziplin über sich ergehen. Schon 2003 wurde die Hamburger Bundeswehr-Hochschule kurzerhand nach ihm benannt. Immerhin war der forsche Norddeutsche mit dem gelegentlichen Feldwebel-Ton ja einmal Verteidigungsminister gewesen. Vor wenigen Tagen dann wurde auch Schmidts Ehefrau Loki geehrt: Der Hamburger Botanische Garten wurde nach der einstigen Bio-Lehrerin benannt, die sich viele Jahre um die von Zerstörung und Ausrottung bedrohte Pflanzenwelt verdient gemacht hatte.

Und nun ein Hamburger Helmut-Schmidt-Gymnasium? Die höhere Schule auf der Elbinsel Wilhelmsburg, auf der Menschen aus Dutzenden Ländern zusammenleben, erhofft sich durch die Patenschaft ihres neuen Patrons ein wenig Prestige, und Helmut Schmidt nahm die Ehrung an. Wilhelmsburg war während der mörderischen Sturmflut von 1962 eines der am schwersten betroffenen Hamburger Gebiete, und nicht nur die Wilhelmsburger Bürger wollten dem damaligen Hamburger Innensenator Schmidt für sein beherztes (und damals nicht immer "legales") Eingreifen noch zu Lebzeitien danken.

 

Er redet mit kräftiger Stimme und entschlossener Diktion - Wenn er spricht, wird Helmut Schmidt munter. Doch die Leiden des Alters verheimlicht er nicht.

 

Erschöpfung und Schmerzen - und all dies unter ständiger Beobachtung Dutzender Fotografen und Journalisten, Helmut Schmidt er-trägts mit Würde

Die Leiden des alten S.

Viel Vergnügen scheinen die vielen Termine und Ehrungen Helmut Schmidt nicht mehr zu bereiten. Sein Terminkalender scheint aber noch immer gut gefüllt. Ohne den Rollstuhl ist der stets penibel und elegant gekleidete alte Herr nicht länger mobil. Zur Feierstunde im Wilhelmsburger Gymnasium erschien er erstmals mit seiner "neuen" Freundin und langjährigen Mitarbeiterin Ruth Loah, die fast 15 Jahre jünger, aber immerhin schon 79 Jahre alt ist. Loah unterstützt den alten Mann mit unauffälligen kleinen Gesten. Sie hält sein Redemanuskript oder den "Kiwi", das kleine Stofftier-Maskottchen des neuen Helmut-Schmidt-Gymnasiums.

Der Ehrengast wirkt während der Feierstunde ungerührt, gelegentlich unaufmerksam. Immer wieder "nickt" er kurz ein, oder er schließt die Augen, um danach in seinem Redemanuskript zu blättern. Unablässig rattern die Motore der Kameras von fast zwei Dutzend Fotografen, die kein Bild verpassen wollen. Es könnte ja das letzte Bild des alten Herrn gewesen sein....

 

 

 

 

 

 

 

Hel-mut-Schmidt-Gym-na-si-um!!!!

Die Würdigung des Ehrengastes und künftigen Patrons des Helmut-Schmidt-Gymnasiums fällt lang und ausführlich aus. Keine Detail darf fehlen. Die Power-Point-Präsentation zählt die Charaktereigenschaften des berühmten Fluthelfers von 1962 auf, und zwar in dieser Reihenfolge:

"Starker Raucher, Klassische Musik - Pianist, Redetalent, Schlagfertigkeit, Hohe moralische Instanz, Schmidt-Schnauze..."

Schmidt verzieht dabei nicht einmal das Gesicht. Aber er lächelt auch nicht. Auch nicht, als der Schulchor ein auf die Gelegenheit umgedichtetes Lied für ihn singt.

 

Wilhelmsburg ist der "jüngste" Stadtteil Hamburgs und der ethnisch bunteste dazu. Das sieht man auch im "neuen" Helmut-Schmidt-Gymnasium  

 

 

Schmidt: "Ich rechnete mit mindestens 1000 Toten"

Dann endlich darf Helmut Schmidt reden. Sofort wirkt er alert und höchst konzentriert. Vor sich eine Cola gegen den trockenen Hals. Blos kein Wasser! Schmidt erzählt von der Flutkatastrophe 1962, mit der er seinen Ruf als kühler und entschlussfreudiger Politker begründete. "Als ich das erste Mal in einem Hubschrauber über dieses Gebiet flog, rechnete ich insgeheim schon mit mehr als 1000 Toten", sagt er. Er spricht langsam, mit fester Stimme. Er liest vom Manuskript mit großen Lettern ab, und doch klingt nichts wie abgelesen. Selbst hier, auf dieser kleinen Veranstaltung, klingt jeder Satz überlegt. Die Schulkinder bewundern den alten Herrn. Sie alle haben im Unterricht ausführlich über Schmidt und seine politisch aktive Zeit gesprochen.

 

Dann ist Schmidts Redezeit um. Ein Helfer bringt den Rollstuhl zurück. Für die restlichen Minuten hält er das Stoffmaskottchen, den "Kiwi" beinahe schon umklammert. Ein Moment der Rührung und ein berührender Anblick.

 

Wenn Helmut Schmidt redet, dann doziert er meist

 

 

Wer mehr zu Europas größter Fluss-Insel Wilhelmsburg wissen möchte, der wird im Internet reichlich fündig

 

Alle Fotos und Texte auf dieser Seite copyright Christian Fürst, 2012

 

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