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Der Fall "Volkan"

 

Hamburg - Die strenge und - wie Tierschützer meinen "unfaire" Gesetzgebung zum Schutz vor Kampfhunden war letztlich die Konsequenz aus einem blutigen Zwischenfall in Hamburg-Harburg, der einen Sechsjährigen im Juni 2000 das Leben kostete.

Im Sommer 2001 verurteilte das Hamburger Landgericht den 24 Jahre alten Ibrahim K. wegen fahrlässiger Tötung an dem kleinen Volkan durch seinen Pitbull für schuldig. Seine mitangeklagte 19-jährige Freundin, deren Kampfhund ebenfalls an dem tödlichen Angriff ein Jahr zuvor beteiligt war, erhielt ein Jahr Jugendstrafe zur Bewährung. Der Staatsanwalt hatte für den Pitbull-Bbesitzer achteinhalb Jahre Haft gefordert.

Nach Überzeugung des Gerichts hatte K. die beiden Kampfhunde am 26. Juni neben dem Schulgelände ohne Leine laufen lassen. Als die Tiere die spielenden Kinder sahen, sprangen sie über eine Mauer und stürzten sich auf den sechsjährigen Volkan. Eines der Tiere verbiss sich im Kopf des Kindes. Der Junge verblutete, die beiden Kampfhunde wurden noch am Tatort erschossen.

 Zeugen hatten vor Gericht ausgesagt, dass der Angeklagte seinen Hund mit einer schweren Kette um den Hals trainieren ließ, um die Ausdauer des Tieres zu erhöhen. Ein Spiel sei auch gewesen, den Hund über die Mauer springen zu lassen.

Nach einer Anordnung des Bezirksamts durfte K., der der Polizei bereits wegen mehrerer anderer Delikte bekannt war, seinen Hund nur mit Maulkorb und an der Leine ausführen. Auch für den Hund der 19-Jährigen war nach Presseberichten Leinenpflicht erlassen worden, weil die Tiere mehrfach andere Hunde angegriffen hatten.

CF

 

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Platz für Obdachlosenhunde

(Mitteilung des Tierheims angesichts der Hundekälte in der Hansestadt)

 

Aufgrund der frostigen Temperaturen draußen, die laut Wetterdienst noch einige Zeit anhalten werden, bietet der Hamburger Tierschutzverein wie in den vergangenen Jahren Menschen ohne festen Wohnsitz an, ihre Hunde kostenlos abends im Tierheim für die Übernachtung abzugeben. In vielen Sozialstationen für die Übernachtung von Obdachlosen gibt es keine Unterbringungs-möglichkeiten für deren Hunde. Für das Nothilfe-Programm stellt das Tierheim Süderstraße eine begrenzte Zahl von Zwingern zur Verfügung. Die Tiere werden auch während der Nachtzeit - soweit erforderlich - betreut und können morgens ab 9:00 Uhr von ihren Besitzern wieder abgeholt werden.

 

 

"Lebenslang" für 70 Kampfhunde?

Lebenslang für Hamburger "Kampfhunde"?

Opfer im Verwaltungsdschungel

von Christian Fürst, nmms

 

Furcht einflößend und mörderisch aggressiv: So erscheinen "Kampfhunde" im Bild der Öffentlichkeit. Das Ergebnis: Im Hamburger Tierheim Süderstraße sind mehr als 70 Exemplare der verschiedensten Kampfhundrassen seit Jahren "hinter Schloss und Riegel", obwohl sie bei allen Tests als harmlos eingestuft wurden und bisher niemanden angegriffen haben. Ihnen droht "lebenslang" und "Einzelhaft" im engen Zwinger, weil die Hamburger Verwaltung nach Meinung von Tierschützern praktisch jede Vermittlung in der Hansestadt verhindert. "Das ist unfair" argumentieren die Betreuer der Hunde, die demnächst wieder eine Aktion zu Gunsten ihrer Schützlinge starten wollen. Mit einer Plakataktion für einen entspannteren Umgang mit den sogenannten Kategorie-Hunden hatte sich der finanziell klamme Tierschutzverein vor einigen Monaten allerdings nicht nur Freunde gemacht.

 

Ein Besuch in Hamburgs Tierheim Süderstraße könnte alte Vorurteile bestätigen: Vor den engen Zwingern der "verbotenen" Rassehunde oder Mischlinge erwartet den Gast ein ohrenbetäubendes Bell- und Jaul-Konzert. Einige Tiere schauen den Besucher nur traurig oder fast teilnahmslos an; andere dagegen springen mit voller Wucht in die Luft, krachen gegen die Gittertür. Schwer zu glauben, dass diese Hunde harmlos und friedlich sind, sobald sie aus ihrem Gefängnis zum täglichen "Freigang" mit ihren freiwilligen Gassi-Gehern entlassen werden.

 

Gefangen im Verwaltungsdschungel: Kategorie-Hunde, besser bekannt als "Kampfhunde" sind in Hamburg wegen der Verwaltung kaum zu vermitteln

 

Anlass für die aktuelle Misere der K-Hunde war der schreckliche Tod des sechsjährigen Jungen Volkan im Juni 2000 in einer Harburger Schule. Dort wurde das Kind von einem frei laufenden Pitbull und einem zweiten Kampfhund auf dem Schulhof angefallen und so schwer am Kopf verletzt, dass er verblutete.  Der Besitzer des Pitbulls wurde ein Jahr später zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Der grausame Zwischenfall löste eine heftige öffentliche Debatte über die Haltung von sogenannten Kampfhunden aus, die in allen Bundesländern zu einer unterschiedlich scharfen Reglementierung führte.

So ist seither die Zucht bestimmter Rassen in Deutschland ganz verboten. In Hamburg ist dazu die Haltung von Kampfhunden derart streng geregelt, dass eine Vermittlung solcher Tiere innerhalb der Hansestadt für den Tierschutzverein fast unmöglich ist. Dazu komme, dass die zuständigen Ämter in den einzelnen Bezirken die Erteilung von Genehmigung möglicherweise bewusst monatelang verzögerten oder komplett ignorierten, meint Hundetrainerin Susanne David aus dem Mitarbeiterstab der Süderstraße: "Wir haben in den vergangenen zehn Jahren ganze drei Hunde innerhalb Hamburgs vermittelt!"  

 

K-Hunde als Waffe oder Potenzprothese?

Das Hamburger Hundegesetz von 2004 wurde bereits vier Jahre später erstmals "entschärft", doch an der Lage der im Tierheim Süderstraße gefangenen rund 70 Hunde, die nach diesem Gesetz als "gefährlich" eingestuft werden, hat sich nichts geändert. "Dabei sind die allermeisten Tiere hier völlig harmlos" erzählt Hundetrainerin David. Sie alle hätten den obligatorischen "Wesenstest" bestanden, bei dem die Tiere bewusst extrem provoziert werden, um zu sehen, wie aggressiv sie etwa auf mögliche Angriffe reagieren. "Ich schätze, die Hälfte aller ganz normalen Hunde würde bei solch einem Test durchfallen", erzählt David. Außerdem wurden die männlichen Tiere kastriert und mit einem implantierten Chip versehen.

Doch damit ist es nicht getan, denn grundsätzlich ist in der Stadt die Haltung der K-Hunde (insbesondere Pittbull, American Staffordshire Terrier und Bullterrier) veboten: Wer in Hamburg dennoch einen als Kampfhund eingestuften Vierbeiner aus der Süderstraße adoptieren will, der muss selbst zahlreiche Bedingungen erfüllen. Unter anderem braucht er ein polizeiliches Führungszeugnis und muss einen "Sachkunde-Nachweis" über den Umgang mit den kräftigen Hunden bringen. Außerdem müssen Interessenten begründen, warum sie "ein berechtigtes Interesse" an der Haltung eines solchen Tieres haben.

 

"Gefährliche Bestien" oder Opfer der Bürokratie? - Diese Hunde sind nach Meinung der Tierschützer völlig harmlos, können aber dennoch nicht vermittelt werden

 

"Eigentlich sind schon die Hürden für potenzielle Interessenten hoch genug" meinen die Hamburger Tierschützer, die inzwischen Hunde lieber nach Niedersachsen vermitteln, wo das Gesetz spürbar lockerer ist, als das in der Hansestadt. Doch wer es am Ende schafft, eines der Tiere für sich zu gewinnen, der muss zusätzlich mit Diskriminierung durch seine Nachbarn und Passanten rechnen. "Die wenigsten Menschen wissen, dass man als Kampfhund nicht geboren, sondern dass man zu ihm erzogen wird", weiß die Hundetrainerin aus Erfahrung. "Wer einen Hund als Waffe oder Potenzprothese betrachtet, der erzieht ihn eben zum Kampfhund".

 

NACHTRAG:

Die Hamburger "Morgenpost" meldete am 3. Februar ergänzend:

el: Seit der Einführung im Jahr 2006 ist die Zahl der Hundebisse gesunken. Während es im Jahr 2006 noch 384 Beißvorfälle gab – davon 157, bei denen Menschen verletzt wurden – kam es 2010 nur noch zu 270 Vorfällen, darunter 134 mit Menschen. Ganz oben auf der Liste: Schäferhunde (rund 250 Beißvorfälle zwischen 2006 und 2010), gefolgt von Jack Russels (rund 130 Vorfälle) und Labradore (rund 100 Mal).

 

Anmerkung: Aussagekräftig sind die Zahlen laut Tierschutzverein nicht, denn sie sagen nichts aus über die Umstände der Angriffe. Eine Rechtfertigung des Hundegesetzes sei sie jedenfalls nicht.

 

 

 Wer das Tierheim Süderstraße am Stadtrand von Hamburg besucht, dem dürfte es schwer fallen kein Mitleid mit den Hunden in den Zwingern zu haben. Einige von ihnen reagieren ausgesprochen neurotisch auf die Aufbewahrung in den Käfigen. So schleckte während meines Besuchs ein besonders großer und besonders Furcht einflößender Hund eifrig und intensiv die Eisenverstrebungen der Gittertür ab, die den Weg nach draußen versperrte (Bild 4). Ein zweiter, relativ kleiner, völlig harmloser scheinender Hund, den die unfreiwillige Kreuzung mit einem K-Hund automatisch zum "Kampfhund" gemacht hat, kläffte jämmerlich. Das Schild an seinem Käfig klärt auf: "Draußen bin ich ein ganz freundlicher Hund, nur hier im Zwinger benehm ich mich unmöglich"... Und nebenan warnte ein Schild an der Zwingertür: "Bitte keine Leckerlis geben. Hund ist Allergiker!"

 

Werbung für K-Hunde

Bisher sind die Aktionen des Tierschutzvereins zu Gunsten der Kategorie-Hunde beim Hamburger Senat und in den Bezirken auf einen wenig fruchtbaren Boden gefallen. Zwar könnte der Stadtstaat Hamburg durch eine Lösung des Kampfhunde-Problems monatlich mehrere Zehntausend Euro an Subventionen für den Tierschutzverein sparen, doch offenbar ist die Furcht vor einem neuen "Fall Volkan" zu groß. Und so sind die zahlreichen freiwilligen "Gassi-Geher", die täglich vorbei kommen, um den kräftigen Tieren mit langen Spaziergängen den nötigen Auslauf geben, die einzige Möglichkeit für "Günther", "Friedrich", Django und Co, dem lebenslangen Tierheim-Knast wenigstens für kurze Zeit zu entkommen.

Gassi-Geherin Ann-Kristin mit dem Kategorie-Hund Django nach einem langen Spaziergang    

Einige der Tiere, die ihren früheren Besitzern weggenommen wurden, erhielten vom Tierheim neue Namen, weil die ursprünglichen zu martialisch klangen. So wurde zum Beispiel aus "Gangster" etwa der biedere "Günther" - und genauso benimmt sich der einstige Kampfhund, der sich von seinem Gassi-Geher beim Spielen am Teich artigst den Maulkorb überstreifen lässt.

Bisher hatte die Werbung der Tierschützer für eine Reform des Hamburger Hundegesetzes nur wenig positive Resonanz zur Folge. Im Gegenteil: Eine intelligente Plakataktion des in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Vereins stieß nicht nur auf taube Ohren, sondern auf viel Kritik. Dennoch will man in der Süderstraße den Kampf für die K-Hunde nicht aufgeben. Den Vorschlag eines Besuchers, die Hunde doch lieber einzuschläfern, weist man hier rigoros zurück.

 

copyright text und bilder christian fürst 2012

 

 

NACHTRAG:

Die Hamburger "Morgenpost" meldete am 3. Februar ergänzend:

el: Seit der Einführung im Jahr 2006 ist die Zahl der Hundebisse gesunken. Während es im Jahr 2006 noch 384 Beißvorfälle gab – davon 157, bei denen Menschen verletzt wurden – kam es 2010 nur noch zu 270 Vorfällen, darunter 134 mit Menschen. Ganz oben auf der Liste: Schäferhunde (rund 250 Beißvorfälle zwischen 2006 und 2010), gefolgt von Jack Russels (rund 130 Vorfälle) und Labradore (rund 100 Mal).

 

Anmerkung: Aussagekräftig sind die Zahlen laut Tierschutzverein nicht, denn sie sagen nichts aus über die Umstände der Angriffe. Eine Rechtfertigung des Hundegesetzes sei sie jedenfalls nicht.