Das Deutsche Derby

... Macht der Reiter Plumps! - Hamburger Derby 2011

Es gibt Leute, die finden Springreiten tödlich langweilig. Wieder andere meinen, die Reiterei über Hindernisse sei nichts anderes, als Tierquälerei. Tatsächlich gibt es keinen Beweis dafür, dass Pferde in der Wildnis freiwilig über weite Gräben hüpfen oder von künstlich aufgeschütteten Wällen herunterkraxeln würden. Ich gebe zu, mit dieser Gattung Mensch zu sympathisieren. Und doch habe ich schon als Kind gerne etwa das Aachener Springturinier gesehen, oder auch das Deutsche Derby in Hamburg (Klein Flottbek), bei dem Menschen vielleicht das fieseste Hindernis aufgeschüttet haben, auf das man wohl ein Pferd jagen kann.

Pulvermanns Grab heißt das Ding, gleich nach dem mannshohen Wall - vor dem am vergangenen Wochenende ein (von mir) geschätztes Drittel aller höchstklassigen Springpferde "verweigerten". Andere gerieten auf dem üblen Hang ins Stolpern und stürzten und/oder verweigerten danach vor Pulvermanns Grab (zu meiner klammheimlichen Schadenfreude!!). Doch wieder andere schafften eben den gekonnten Abgang von dem meterhohen Mini-Tafelberg, erfunden von eben jenem passionierten deutsch-jüdischen Reiter und Unternehmer Pulvermann aus Hamburg, der selbst  mehrfach an diesem Hindernis scheiterte (Pulvermann wurde wegen seiner jüdischen Großeltern von den Nazis verfolgt und jahrelang im KZ Neuengamme gequält). Und gibt es etwas aufregenderes, als wenn diese galoppierenden, muskel-bepackten Kraftpakete mit höchster Geschwindgkeit und rhythmischem, lauten Schnauben an einem vorbeistürmen und, der Schwerkraft trotzend, über die Hindernisse fliegen. Nicht selten krachen sie in diese Hindernisse, stolpern in Wassergräben und stürzen mit lautem Krachen zu Boden.

 

Derby Wall und danach Pulvermanns Grab, die wohl fieseste Hindernis-Kombination im deutschen Springreiten

  Zum Glück ist den Pferden bei den zahlreichen Stürzen während des Deutschen Derbys wohl nichts passiert. Nicht auszudenken, wenn eines sich das Bein bräche, mögen die meisten der zig-Tausend Zuschauer in Klein-Flottbek gedacht haben, als die vierbeinigen Helden des Parcours immer wieder ausrutschten, hinkrachten, oder einfach mit lautem Gedonner in Hindernisse stürzten; Zu lauten Entsetzensschreien mancher Zuschauer. Dass die Reiter, die bei diesen Stürzen mit einer Ausnahme unverletzt blieben, erst auf Aufforderung des Stadionsprechers mit sanftem Applaus verabschiedet wurden, spricht für die Zuschauer, die das Spektakel trotz der Gemeinheit von Pulvermanns Grab am Sontag bei strahlendem Sommerwetter sicht- und hörbar genossen.

 

Aua! Dieser Reiter holte sich zumindest eine üble Zerrung, wenn nicht Schlimmeres, als sein Pferd beim Absprung an Pulvermanns Grab ins rutschen kam. Der Beifall war eher freundlich

 

Das Deutsche Derby ein gesellschaftliches Ereignis:

Zwar ist das Deutsche Spring- und Dressur-Derby in Hamburg auch ein gesellschaftliches Ereignis, doch bei Stehplatzpreisen bis zu 20 Euro waren auch wieder Tausende offensichtlich weniger betuchte Reitsportfans gekommen. Mit Kindern und Hunden. Und am Rande des Parcours, in der ersten Reihe, parkten Dutzende Rollstühle mit Behinderten und ihren Begleitern, die nicht weniger Spaß an dem equestrischen Großereignis hatten. 

Hier eine bunte Serie von CF:


Unglaublich, mit welcher scheinbarer Leichtigkeit, diese muskel-bepackten und schweren Tiere über Hindernisse fliegen können. Nicht selten aber, so Tierschützer,  grenzt das Training dafür an Tierquälerei

 

Als Zuschauer wird man unmittelbarer Zeuge dieser extrem engen Verbindung zwischen Mensch und Tier, die sich selbst beim gemeinsamen Sturz am Hindernis beweist. Als unmittelbar vor meiner Kamera ein Pferd samt Reiter stürzte und sich beide überschlugen, griff der Reiter in seiner allerersten Reaktion nach seinem "Partner" und tätschelte seinen Hals. Beide erhoben sich danach fast gleichzeitig und trotteten gemeinsam vom Platz.

 

Und was das Publikum betrifft: Wohl kaum in einem anderen Sport gibt es soviel Fairness und Unparteilichkeit. Da wird jeder gute Ritt bejubelt und bei jedem Fehler spürt man das Mitgefühl mit Reiter und Pferd.

 

Und am Ende ballt der Sieger die Faust und rast im Gallop mit seinem Siegerpferd noch einmal über den Parcour. Bleibt die Frage, ob das Pferd, das letztlich den größten Anteil am Sieg hat, auch so etwas wie Freude oder Zufriedenheit empfindet?? Bei den Hamburger Zuschauern jedenfalls war der Jubel groß. Einzig den zahlreichen Hunden, die bei der Affenhitze am Derby-Tag im Schatten dösten, war das Ergebnis des Wettkampfs wohl ziemlich wurscht.

 

Und hier gibts noch viel mehr vom Wettbewerb in Klein Flottbek

Nicht gerade Erdbeeren mit Sahne, wie beim Tennisturnier von Wimbledon. Aber die Zuschauerin samt Hut hält jedem Vergleich mit dem weiblichen Publikum von der Insel stand