MARATHON 2013
21 000 Teilnehmer - überwiegend Amateure aus aller Welt liefen trotz des Attentats von Boston
Verbeugung vor Boston - Hamburger Marathon mit Rekordzeit
von Christian Fürst, nmms
Nur wenige Tage nach dem Terroranschlag während des Boston-Marathons trotzten 21 000 Leichtathleten in Hamburg der Angst. "Jetzt gerade" war die Devise für den diesjährigen 28. Marathon in der Elbe-Metropole, und wie zur Bestätigung waren kaum mehr Polizisten entlang der Strecke zu sehen, und auch die Zuschauer aus der Hansestadt ließen sich durch die Bomben von Boston nicht abhalten. Hunderttausende kamen wieder - bei schönstem Sonnenschein und kühlen, Marathon-freundlichen Temperaturen. Und sie wurden belohnt durch einen ungewöhnlichen Sieger: Der junge Kenianer Eliud Kipchoge (28) lief bei seinem ersten Marathon überhaupt die rund 42 Kilometer in der neuen Rekordzeit (für Hamburg) von rund 2:05 Stunden und war damit ganze zwei Minuten schneller als der Zweite. Und Kipchoge schien am Ende noch immer so gut in Form, als könnte er die Distanz sogleich noch einmal rennen. "Ging das mit rechten Dingen zu"? fragte sich da so mancher kundige Beobachter, als der Läufer sämtliche Favoriten in Grund und Boden rannte.
Der Kenianer Eliud Kipchoge siegte bei seinem ersten Marathon überhaupt mit der Rekordzeit von rund 2:05 Stunden. Und schien kaum erschöpft
Schwerstbehinderte waren die Schnellsten
Sie wurden nicht weniger gefeiert, als ihre auf zwei gesunden Beinen rennenden Mitbewerber: Die querschnittsgelähmten, oder durch andere Handicaps gelähmten Teilnehmer, die auch in diesem Jahr wieder mit ihren meist dreirädrigen Renn-Stühlen am Hamburg-Marathon teilnahmen. Einige der Athleten, die die Pedale ihrer Spezialrenner mit ihren gesunden Armen drehten, erreichten mit diesen Fahrzeugen Spitzengeschwindigkten von über 40 Stundekilometern. Die meisten der "Rolli-Fahrer", wie sie liebevoll von den Zuschauern genannt wurden, schafften die 42 Kilometer deshalb in einer erheblich schnelleren Zeit, als ihre Konkurrenz auf zwei gesunden Beinen.
Nur mit der Kraft ihrer Arme bewältigten die meist Querschnittsgelähmten die rund 42 Kilometer in Höchstgeschwindigkeit
"Bravo, Bravo", riefen die Zuschauer, wenn wieder mal ein einzelnder "Rolli" an ihnen vorüber fuhr. Einige der Behinderten Sportler wagten sich sogar mit hand-getriebenen Rollstühlen auf den langen Weg. Eine schier unmenschlich erscheindene Aufgabe, wie sie die Räder ihres Fortbewegungsmittel mit ihren Händen unermüdlich anschoben. "Mir hat das unendlich Mut gemacht", sagt eine ältere Zuschauerin, die sich neben mich gestellt hat: "Ich hatte ein ganz schweres Jahr hinter mir", meinte sie, "aber diese Leute sind für jeden ein Vorbild!"
"Pace-Maker sorgen für Tempo"
Der Veranstalter hatte ein Dutzend Lagestreckenläufer aus Afrika eingekauft, die als "Tempomacher" die Rennläufer zu einer schnellen Zeit mitziehen sollten
Um ein möglichst gutes Ergebnis bei diesem Prestige-trächtigen Wettbewerb zu erzielen, engagierten die Veranstalter in diesem Jahr wieder sogenannte Pace-Maker, Tempomacher, die die Spitzenathleten durch ein sorgfältig dosiertes und geplantes Tempo zu einer möglichst schnellen Zeit antreiben sollen. Kennzeichnend, dass diese Läufer auch in diesem Jahr wieder aus den klassischen afrikanischen Langstrecken-Nationen kamen. Und weiße Europäer hatten bei diesem vorgelegten Tempo keine Chance, mit den hoch bezahlten Stars mitzuhalten. Gute Ergebnisse sind in diesen Zeiten des gnadenlosen Wettbewerbs um Sponsoren und damit natürlich um Zuschauer ein "MUSS". Immerhin fand gleichzeitig mit Hamburg auch in London ein traditionsreicher Marathon statt.
Beim ersten Marathon: Sieg in Rekordzeit 
Die Ausrichter von ambitionierten Marathon- und Volksläufen stehen jedes Jahr vor dem gleichen Problem: wegen der starken internationalen Konkurrenz tun sie sich schwer, die prominenten und erfolgreichen Läufer unter Vertrag zu nehmen. Diese - meist afrikanischen - Wunderläufer (???) erhalten meist hohe Startpremiern. Denn auch das Ergebnis ist wichtig. Außerdem spielt natürlich auch die teilnahme der Top-Läufer und -Innen aus dem eigenen Land eine Rolle. Daran misst sich die Aufmerksamkeit der Medien und der Zuschauer, die wiederum für die Geldgeber/Sponsoren eintscheidend ist. In Hamburg, das sich gern unter die zehn wichtigsten Marathonlaufer der Welt einreiht, war es dennoch diesmal ein eher unbekannter Außenseiter, der die Konkurrenz schockte und in Grund und Boden lief. Der Kenianer Eliud Kipchoge lag von Beginn an inter der ersten Gruppe, blieb zunächst hinter den Tempomachern, um dann früh an die Spitze zu gehen. Schon fünf Kilometer vor dem Ziel bei den Hamburger Messehallen hatte er einen Vorsprung von deutlich über einer Minute und flitzte scheinbar schwerelos Richtung Ziel, wo er zwei Minuten vor der Konkurrenz und mit neuem "Hamburg-Rekord" eintraf. Das brachte ihm nochmal 50 000 Euro extra ein, nährte bei manchemZuschauer auch das laut gesprochene Misstrauen, ob bei dieser Super-Leistung wirklich alles mit rechten Dingen zugegangen sei.
Afrika ruft: Keine Siegchance für Europäer 
Auch Kipchoges erster Verfolger kam aus Afrika, genau so wie die nächsten Marathon-Teilnehmer. Sie dominieren den Markt auf der Langstrecke
Marathon ist schon seit vielen Jahren eine absolute Domäne der Läufer aus Afrika. Athleten aus Äthiopien und Kenia teilen sich den wachsenden Markt der internationalen Wettbewerbe auf und liefern dennoch Uhrwerks-gleich Spitzenzeiten ab, bei denen - wie auch in Hamburg - die Läufer aus dem Rest der Welt nur unter "ferner liefen" landen. In Hamburg lag der beste deutsche Teilnehmer um 20 Minuten hinter der Siegerzeit. Gewöhnlich ist das eine Zeit, die die besten weiblichen Rennläuferinnen aus Afrika erreichen können.
"...Ferner liefen": Frauen waren nur Mittelmaß
Die Siegerin bei den Fraue: Überraschend lag die Litauerin Diana Lobacevske in 2:29:17 Stunden vor allen Afrikanerinnen
Überraschend schwach waren in diesem Jahr die Frauen im riesigen Teilnehmerfeld. Die Siegerin lag um 25 Minuten hinter dem Gewinner bei den Männern und mit noch deutlicherem Abstand kam die Zweite des Rennens an. Dass die "Erste Frau" aus Litauen immer noch den allergrößten Teil der Männer im riesigen Feld hinter sich ließ, konnte den insgesamt schwachen Eindruck des Marathon-Damen nicht verwischen.
Die Dritte des Rennens
Ein Volksfest für Hunderttausende
Dass es bei den Marathon-Läufen um mehr geht, als nur um Leistung und Geld, das bewiesen auch in diesem Jahr wieder die Hamburger Zuschauer: 800 000 kamen, so schätzte die Polizei, um die Läufer, schwerbehinderten Rolli-Fahrer, oder ihre eigenen Freunde und Verwandten anzufeuern. Oder auch einfach nur,m um "dabei zu sein". "Während des Hamburger Marathons hat es in all den Jahren nie geregnet", erzählen Zuschauer immer wieder. Nicht immer war es freilich so kühl, wie an diesem Sonntag, der mit ausgesprochen niedrigen 5 Grad Celsius begann. Doch dann begann die Sonne, die treuen Fans zu wärmen und diue lautstarken Sponsorgen taten das Ihre, um die zuschauer mit lautem Klapperwerkzeug oder Luftballons zu versorgen. Zum Glück hatte am Abend zuvor auch noch der Hamburger SV in der Bundesliga gewonnen, und so stand der Mammut-Lauf an Alster undElbe unter besten Vorzeichen.
Alle Bilder und Texte copyright Christian Fürst, 2013
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