Woche 39 Der Karst

 Auf dem Karst

Ein Dorf aus zwei Gehöften 

 

Den Karst durchzieht ein gut ausgebautes Netz von Landstraßen, die alle ins Nichts zu führen scheinen, um sich immer wieder selbst zu verbinden. Schilder in italienisch und slowenisch weisen den Weg zu Orten, die auf den Karten zwar verzeichnet, in der real existierenden Welt jedoch nicht auffindbar sind.  Beispiel: "Sagrado".  Der sehr brauchbare "Slow Food"-Führer zu den etwas anderen Übernachtungsmöglichkeiten in Italien "Locande d'Italia. Übernachten in den schönsten Hotels, Pensionen und Bauernhöfen" empfiehlt, in diesem Ortsteil von "Sgonico - Zgonik" bei Familie Milic einzukehren und zu nächtigen. Das Problem: der Ort besteht lediglich aus zwei Gehöften. Sie zu finden bedeutet, scheinbar den ganzen Karst kennenzulernen und dabei für eine Strecke, die auf der Direttissima vielleicht zehn Kilometer ausmacht, eine Rundreise von fünfunddreißig Kilometern zu unternehmen. Eine Reise allerdings, die sich gelohnt hatte:

 

 

 

"É chiuso oggi" schallte es fröhlich aus dem Innenhof, als meine Frau freundlich guten Tag gewünscht hatte. Nicht ganz der Wahrheit und auch nicht ganz der Unwahrheit entsprach unsere Entgegnung, wir seien doch nicht extra aus Hamburg hierher gefahren, um eine geschlossene Gesellschaft anzutreffen. Und so wurden wir herzlich in die Runde aufgenommen, die unter einer Pergola tafelte an einem mächtigen Tisch aus dem örtlichen Marmor, der keiner ist. Einige leere Weinflaschen gaben zu verstehen, woher die gute Laune der Bauersleut und ihrer Gäste rührte.  Tatsächlich gab es etwas zu feiern, den Hofältesten nämlich. Er, der wohl kaum älter als fünfzig Jahre ist, wurde nur "Opa" genannt, nicht italienisch Nonno etwa oder was auch immer Großvater auf slowenisch heißen mag. Der Grund: Eine seiner Töchter hatte am Vortag ein Mädchen geboren. Nicht Mutter, Kind, oder Großmutter wurden gefeiert, sondern der Patriarch.

         

 

Er, unser "Opa", ließ es sich nicht nehmen, das Beste aufzutischen, was Keller und Hof zu bieten hatten: Drei Jahre lang luftgetrockneter, zartester und saftiger Schinken - vom eigenen Schwein natürlich. Aus dem Garten kamen Tomaten, Gurken und Kräuter für den Salat. Und aus dem Holzofen das warme, leichte und luftige Brot.  Mit großem Stolz wurde der eigene Wein gereicht. Zunächst ein leuchtend gelber frischer Malvasia, voller Mineralik und kräutrigen Düften der Macchia des Karst. Dicht, strotzend vor Kraft und dennoch elegant mit feinkörnig geschliffenen Tanninen der Star des Kellers, ein 2006er Terrano - aus der Magnum. Ein Ausnahmewein. Er und seine Macher ließen verstehen, warum so viele Autoren vom Karst schwärmen - seiner Natur und vor allem seinen Menschen.  

Der Familie Milic sei herzlich für die überwältigende Gastfreundschaft  gedankt.

 

Zum Abschluss der Reise ging es erstmals nach 44 Jahren wieder einmal nach Slowenien: Wochenchronik 40 Piran

 

Bild und Text copyright Andreas Pawlouschek, nmms 2012