Woche 14 Marktjazz

Markt in der "Fabrik" - Jazz zwischen Obst & Gemüse

 

 

Was macht die erfolgreichste Jazzsängerin Deutschlands in der Hamburger "Fabrik", seit Jahrzehnten Kultstätte für Jazz und andere gute Musik? Sie singt - und sie singt ganz ausgezeichnet und voller Leidenschaft und Temperament. Doch Ihr Blick richtet sich nicht auf ein Publikum, das in wohlgeordneten Stuhlreihen andächtig ihrer Musik lauscht, um danach frenetisch Beifall zu spenden. Am Ostersamstag lauscht niemand andächtig den Liedern der Ulita Knaus sondern eher "en passant".  Es ist auch kein Konzert, das die Jazzmusikerin gibt - und ihr Publikum hat auch keinen Eintritt entrichtet. Aufgespielt wird zum Markttreiben. Direkt vor der Künstlerin wechseln Äpfel, Karotten oder Biokartoffeln den Besitzer. Ein wenig weiter rechts  bietet eine junge Frau selbstgemachtes Rote-Bete-Pesto an. Weine, Käse, Brot, Marmeladen finden ebenso Abnehmer wie Schmuck, Törtchen oder kleine Bildchen vom Hamburger Hafen. Und immer zieht irgend ein neuer Geruch über die Bühne. Mal der von selbsgefertigten Suppen, Lasagne oder auch profaner aber leckerer Biobratwurst. Die Klangkulisse des Markttreibens hält sich in etwa die Waage mit der Musik aus den Lautsprechern. Alt und Jung und auch ganz Jung findet am Samstag vor Ostern den Weg hierher in den virulenten Hamburger Stadtteil Ottensen im Westen der Stadt, an der Elbe gelegen.

Die Macher und ihr Markt

 

Sie scheinen bereits viel herumgekommen zu sein in ihrem Leben - Marie Biermann (32) und der Bruder Max Schittek (28). Ob in New York oder San Franciso, ob in Kapstadt oder Melbourne - überall fanden sie sogenannte "neighbourhood markets, Nachbarschaftsmärkte die dort fest zum urbanen Geschehen an Wochenenden gehören", wie sie es auf ihrer Homepage ausdrücken.  Fast logisch, dass sich die Geschwister fragten, warum es so etwas nicht auch in Hamburg gibt, der großen Stadt am großen Fluss. "Wenn nicht hier in Ottensen und hier in der Fabrik", so der Mitinitiator Max Schittek gegenüber NewsAndMore, wo sonst kann ein solcher Markt überzeugen, anziehen und erfolgreich sein. Mit vielen Ideen,viel Charme und sicherlich auch viel Organisationstalent und Netzwerkarbeit machten sie sich ans Werk - und es gedieh, was gedeihen musste. Am Ostersamstag war die Fabrik voller fröhlicher, gut gelaunter Menschen, die kamen um zu sehen, zu riechen, zu kaufen, zu schmecken und zu hören. Auch wenn Ware, gute Ware aus natürlichem Anbau, selbstgemacht oder zu fairen Preisen eingekauft irgendwo in Südamerika oder im Mittelmeerraum, bezahlt sein will, hier kommt nicht der Eindruck auf, es ginge primär darum, Geld zu verdienen. Hier steht der nachhaltige Genuß, die regionale Erzeugung und Vielfalt, das handwerkliche Gelingen vor dem Mammon,  und das macht Freude bei Käufern und Verkäufern - es ist ein Geben und Nehmen. Es sei zur Nachahmung empfohlen. Dieser Markt, so AP im Gespräch mit Marie Biermann sei das Beste, was seit der Erfindung der Jeans erdacht worden sei. Ein Lächeln huschte über das Gesicht der jungen Frau - kurz nur, denn weiter ging es das zu tun, was Gastgeber gerne tun. Hier herrscht keine Managermentalität. Hier wird Stadtteilkultur vom Allerfeinsten gepflegt. 

 

Marktzeit in der Fabrik - revisited

 

Journalistische Neugier trieb mich zwei Wochen nach meinem ersten Besuch in der "Fabrik", meine Eindrücke zu überprüfen. Diesmal erschien ich kurz nach Öffnung des Marktes gegen zehn Uhr. Alles schien völlig entspannt. Ich wurde begrüßt, wie ein alter Bekannter. Ein Wort hier, einen etwas längeren Schnack dort über die Qualität und Preise spanischen Olivenöls. Auch mit den Organisatoren, die noch Zeit genug für den Nachwuchs hatten. Josef(ph)ine heißt die zauberhafte Tochter, ein wenig in Erinnerung an Josephine Baker, wie die Mutter einräumt.

        

Wer früh erscheint hat das Privileg, dass alle Marketender frisch und froh die gesamte Palette ihres Angebotes präsentieren können. Noch gibt es kein "leider schon verkauft..". Obst und Gemüse, Brot und Käse, Marmeladen und Röstkartoeffeln - alles scheint den Marktbummler anzulachen. Und um den einen oder anderen Stand mit allzu süßen Verführungen drückt man sich besser - der Figur wegen, egal wie schwer es fällt. Der kurze Besuch lohnte sich, denn es war harmonisch wie beim ersten mal. Wie schön muss es ohne Kamera sein...

 

text & bild copyright andreas pawlouschek 2012

Auch ein neuerlicher Besuch bei "Marktzeit" war erfrischend angenehm und unverkrampft. Kein Geschiebe, kein Gedränge. Und dieses mal gelang es nach fünf Anläufen sogar ein Glas Wein zu ergattern, der ebenso billig wie sauer war, sich in eine Ecke zurückzuziehen und dem Treiben gelassen zuzusehen - und Bonny Ferrer zu lauschen, der Sängerin mit der einschmeichelnden Stimmer, gebürtige Ghanaerin, die sich Deutschland zur Wahlheimat erkoren hat.

 

Wer ihre Musik genießen will - hier erfährt er/sie, wie es anzustellen ist: http://bonnyferrer.com/ Im Gegensatzt zu dem Foto auf ihrer Homepage, kommt sie im wahren Leben bescheiden daher und nicht wie das GoGo-Girl mit weißen Stiefelchen.

Wer mehr wissen möchte findet es hier: www.marktinderfabrik.de/