Woche 37 Oberbozen

Oberbozen - Soprabolzano

Hort der Ruhe und Gediegenheit 

 

 

Die Welt scheint ohne Laut, die Umwelt auf stumm geschaltet zu sein an einem frühen Abend des September oben auf dem Ritten. Kein noch so leichter Wind bringt Zweige oder Blätter zum säuselnden Rauschen. Die Tierwelt, ob im Freien ob in Ställen, fügt sich in die Stille ein. Selbst die Menschen scheinen sich bedeckt und versteckt zu halten in ihren Häusern, Wohnungen, ihren Hotels oder Gaststuben und bremsen ihren Redefluss. Wenn die Füße die Kiesel des Fußweges zwischen Oberbozen und Maria Himmelfahrt auseinandertreiben, um sie danach wieder zusammenzureiben ist das Geräusch laut, als würden Geröllmassen ins Tal stürzen. Und doch: Es ist ein Tag wie viele andere auf dem Ritten oberhalb Bozens, der quirrlligen Provinzhauptstadt, dem unfreillig-freiwilligen Schmelztiegel deutschsprachiger Südtiroler italienischer Staatsangehörigkeit und ihren Landsleuten aus südlicheren Regionen stammend oder hier geboren mit den italienischen Vor- und Nachnamen. Wenn unten im Kessel die Luft stickig zu werden beginnt, läßt es sich hoch oben noch immer frei atmen. Seit Jahrhunderten haben wohlhabende Bozener auf dem Ritten ein Fleckchen Boden erworben, um ein Haus zu bauen. Hierher zog sich die Familie zurück, wann immer es möglich war, und der Familienvater kam über das Wochenende nach. Wem sich das eigene Haus verschloss, weil schon früh die Bodenspekulation einsetzte, der suchte des Sommers Frische trotzdem auf dem Hochplateau. Und so baute sich schon früh im 19ten Jahrhundert ein bemerkenswert unauffälliges Herbergs- und Gaststättengewerbe auf, das in seiner Reinkultur auch heute noch an den "Zauberberg" erinnert.

 

               

    

 

Die Strasse, die sich aus dem Tal des Eisack, kurz bevor er sich in der Etsch verliert, in vielen Kehren den Hang hochwindet, ist wunderbar zu fahren. Mit jedem Höhenmeter öffnen sich neue Aus- und Fernblicke auch über den Hausberg, den Schlern, auf die Seiser Alm und darüberhinaus bis ins Herz der Dolomiten. Selbst die Marmolata scheint bei klarer SIcht zum Greifen nah.

Kurz vor Sonnenuntergang wiederholt sich an den besten Aussichtspunkten auf dem Ritten das gleiche Ritual: Naturliebhaber und Fotografen warten darauf, dass die letzten Strahlen der Sonne die Rotwand in das Licht tauchen, das dem Bergmassiv den Namen gab. Und wenn alles zusammenpaßt, die Winkel der Sonenstrahlen, eine klare Sicht mit passender Luftfeuchtigkeit, Wolkenbildung und anderes mehr - dann heißt es tief durchatmen, um nicht völlig von den eigenen Gefühlen überwältigt zu werden. Glücklich, wer dies erleben darf - und sei es auch nur ein einziges Mal. Um zu vermeiden, dass man vergeblich wartet ist es empfehlenswert, Einheimische wie den Wirt vom Gasthaus "Schluff" zu fragen, ob es denn was wird mit dem Sonnenuntergang. Ich bekam noch nie eine falsche Antwort. 

Seil und Schiene

- Zwei Bahnen -   

Schon früh erkannten die Verantwortlichen in den Gemeindeparlamenten, dass es mit der Straße von Bozen auf den Ritten alleine nicht getan sein kann. Zu weit ist der Weg durch die Weinberge. Und wer täglich zur Arbeit hin und zurück insgesamt fast dreißig Kilometer Kurven kurbelt, dem steht kaum noch der Sinn nach Naturschönheiten - bei Eis und Schnee schon gar nicht. Bahnen mussten her.

 

So wurden zwei Bahnen konzipiert. Die eine steil den Berg hinauf nach Oberbozen, ein Meisterwerk der Technik. Bereits am 13. August 1907 wurde die Rittnerbahn eröffnet. Vom Zentrum in Bozen aus ging sie direkt auf den Hausberg.  Etwa eintausend Meter Höhenunterschied wollten überwunden sein. Der Sicherheit willen entschloss man sich für den Antrieb wie Zahnrad. Die Bahnen in der Schweiz hatten Pate gestanden. Es war die Zeit der "Belle Epoque" und dort wie nun auch hier sollten die Berge nicht nur den Einheimischen sondern auch den wohlhabenden Touristen erschlossen werden. Selbst über die Kriege hinweg tat die Bahn ihren Dienst bis in den 60er Jahren mit beginnendem Massentourismus und Fortschrittswahn die treue Zahnradbahn für nicht mehr zeitgemäß erklärt wurde. Sie wich einer Seilbahn, die immerhin vierzig Jahre in Betrieb war, bis ihr das selbe Schicksal zuteil wurde wie ihrer Vorgängerin. Was 2009 eingeweiht wurde, braucht keinen Vergleich zu scheuen. Das gilt sowohl für den Zeittakt, denn alle vier Minuten verläßt eine Bahn eine Station - oben und unten. Auch der Preisvergleich läßt sich sehen. Sechs Euro zahlt man für die einfache Fahrt - zehn Euro für die Hin- und Rückfahrt. Das mag angemessen scheinen. Wäre es auch, wenn nicht vor einem Jahr das selbe Bahnerlebnis noch für 3.50 Euro für die Berg- und Talfahrt zu haben gewesen wäre.

 

Liebevoll das "Bahnl" genannt, hat die Schmalspurbahn zwischen Bozen und Klobenstein fast jedem Renovierungseifer widerstanden. Selbst Wagen der ersten Generation fahren noch vormittags zur Freude aller Fahrgäste und Wanderer durch die Bilderbuchlandschaften des Hochplateaus. Da hat sich nichts geändert, seit ich 1981 erstmals photographierenderweise über den Ritten wanderte. Auch hier ist die Frage erlaubt, ob Romantizismus einen Preis von 3.50€ rechtfertigt, für eine einfache Strecke, auf der man gerade mal sechzehn Minuten unterwegs ist. Wer die günstigen Fahrpreise in Italien für öffentliche Verkehrsmittel kennt, könnte verleitet sein zu vermuten, dass die Verantwortlichen bei der Kalkulation keine betriebswirtschaftlichen Faktoren zu Grunde legten, sondern nach dem Motto verfahren wer viel neppt, der gut lebt. Das Paradies von Gestern bekommt so heute ein Gschmäckle. Man möchte den Verantwortlichen, wo immer sie auch sitzen mögen, zurufen: Bitte nicht weiter so, sonst findet die Zukunft nur noch in der Vergangenheit statt.


1981 Auf dem Ritten: Analoges

2011 - Dreißig Jahre danach.

 

 

Zusatzinfos zum "Bahnl" mit faszinierenden Aufnahmen aus der Frühzeit der Bahn finden Sie hier:

http://www.tmb.at/railways/index.php?lang=de&siteid=6&site=showrailway&id=12

 

Und zum Ritten findet sich  fast alles hier: http://www.ritten.com/de/

 

Nachtrag am 02ten November 2012
 

Auf Anfrage vom 01sten November 2012 erhielt NewsAndMore-Mediaservice vom Tourismusverein Ritten bezüglich der Fahrpreise und der Sonderkonditionen dankenswerterweise außergewöhnlich schnell bereits am Folgetag, dem 02ten November 2012,  folgende Antwort:

 

"Seit 14. Februar 2012 gilt eine neue Tarifreform in Südtirol. Da es 17 Jahre lang keine Preiserhöhung gab, kam nun alles auf einen Schlag. Sie haben richtig geschrieben, dass der Preis für die Seilbahnfahrt wurde von € 3,50 auf E 10,- erhöht. Zu diesem Preis kommt es, da die Rittner Seilbahn, als besonderes öffentliches Verkerkehrsmittel mit 35 Tarifkilometer eingestuft wurde und bei Einzelfahrkarten wird pro Tarifkilometer € 0,15 berechnet. Dies gilt allerdings nur für die Einzelfahrkarten. Es gibt aber auch preisgünstige Angebot wie jene der Mobilcards oder Wertkarten. Sowie der Südtirolpass für Ansässige und das Paket der RittenCard. Alle Rittner Gastbetriebe können sich am Projekt RittenCard beteiligen, wenn sie mit uns Verträge abschließen, da der Preis für die RittenCard im Nächtigungspreis eingerechnet ist und dies muss an das Sonnenplateau Ritten überwiesen werden und von dort weiter an die Provinz Bozen für die Nutzung der Mobilität und die Museen, sowie an die Bergbahn Rittnerhorn und alle anderen Strukturen die eine Leistung bieten. Diese Pakete gibt es in mehreren Südtiroler Gemeinden wie in Brixen, Meran, Algund, Pustertal und noch andere. Und da wäre es doch schade, so eine Chance nicht anzunehmen! Es liegt allerdings beim Gastgeber ob er sich daran beteiligt und dieses Paket mit den tollen Sonderkonditionen seinen Gästen zukommen lassen will..     Tourismusverein Ritten"	 

 

Sonnnnaufgang über dem Schlern

 

Und die nächste Wochenchronik führt an den Gardasee und in ein SuperSpa: Woche 38 Gardasee

 

Text und Bilder copyright Andreas Pawlouschek, nmms 2012