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Das meint das HH Abendblatt

"Macbeth" gilt als das größte Unheilsdrama Shakespeares. Das Stück (...) ist auch eine Expedition in die Innenwelt eines sich erstmals selbst bestimmenden Menschen. Regisseur Luk Perceval hat Shakespeares späteste Tragödie nun am Thalia Theater in einer sehr entkernten und reduzierten Fassung auf die Bühne gebracht. Keine Bluttat, die immerzu neue Bluttaten fordert, sieht man. Und auch keinen Hexenzauber.

(...) Bruno Cathomas gibt den Macbeth als verstörten, beinahe autistischen Kriegsheimkehrer zwischen Apathie und Aggression. Seine Lady Macbeth spielt Maja Schöne mit Sinnlichkeit und Temperament. Beide sind durch unbedingte Liebe verknüpft, aber durch ihre Kinderlosigkeit traumatisiert. Nähe entsteht bei ihnen durch das gemeinsame Töten. Es ist eine strenge, sehr eindringliche Interpretation des Stückes, der man aber wohl nur folgen kann, wenn man den Inhalt kennt. Im Zuschauerraum war's mucksmäuschen still, wie bei einem Kammerspiel. Im Rang allerdings konnte man wohl nicht immer alles verstehen. Eindringlich, überzeugend, aber nicht unanstrengend sind diese knappen zwei Stunden. Die Schauspieler wurden heftig gefeiert. Für Regisseur Perceval gab es auch ein paar kräftige Buhs.

 Manch ein Zuschauer war vielleicht frustriert, weil es viel zu wenig Action gab in diesem so vielversprechend blutrünstigen Stück. Stattdessen Flüstern, Warten, leise Töne. (...)  Möglicherweise ist Percevals Macbeth zu sehr Hamlet. Seine "Hamlet"-Inszenierung kann man am Thalia allerdings auch sehen.

 

FAZ zur Ruhrfestspielinszenierung

 So absichtsvoll dies als Tribut an das Motto „Die Suche nach dem Jetzt“, unter dem sich die Ruhrtriennale in diesem Jahr dem Buddhismus zuwendet, erscheinen mag, so sehr erwächst daraus eine zwar schmale, doch stimmige und emotional intensive Inszenierung. Es dauert lange, ehe Lady Macbeth ihren Mann erst aus der Sprachlosigkeit, dann aus der Schockstarre gelöst hat. Und sofort kippt die Party in ein düsteres Seelendrama, in eine Erkundung des Vor- und Unbewussten. Die Regie, die mit sieben Darstellern auskommt, aber dazu neun Hexen aufbietet, konzentriert sich ganz auf die seelischen Innenräume des Dramas und führt – in nur knapp zwei Stunden – seine Hauptlinien in klaren, scharfen Konturen aus: Die Weissagungen der Hexen werden zu inneren Monologen und zu Einreden aus dem Umfeld, die Beziehung des Ehepaares rückt, zum Konflikt zwischen Apathie und Aggression, Phlegma und Peitsche geschärft, ins Zentrum. Die äußeren Handlungen werden gekappt, die Prophezeiungen, die große Tafel, auch die Morde nicht ausgespielt.

(...) Der Monumentalist Luk Perceval, der 1999 vierzig Akte aus Shakespeares Königsdramen erst in Salzburg, dann in Hamburg als blutige „Schlachten“-Platte servierte und sich seitdem im Umgang mit dem Elisabethaner in plakativen Gewaltakten und vordergründigen Aktualisierungen erging, hat sich zum ingeniösen Minimalisten gewandelt. Seine bildmächtige Inszenierung des „Macbeth“, eine Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg, ist kein Schloss, doch sein Schlüssel passt.

CF
 

Macbeth - Ein stiller Königsmörder

Macbeth als Psychodrama

Die Bühne ist so düster wie das ganze Königsdrama. Und doch ist dieser Macbeth anders als die meisten Inszenierungen des blutigen Schauspiels von William Shakespear. Denn es fließt kein Blut. Und wer die Geschichte vom mörderischen Ehrgeiz der Lady Macbeth und ihres abhängigen Gatten nicht kennt, der mag sich mit dieser Aufführung schwer tun. Denn der belgische Regisseur Luk Perceval setzt bei seiner Interpretation diese Kenntnis voraus. Ihn interesieren nicht die Morde, sondern die Beweggründe. Und so wird das in der Übersetzung von Thomas Brasch auf zwei Stunden eingedampfte Stück zum reinen Psychogramm der beiden Hauptpersonen, die am Ende an Ihren Taten zugrunde gehen .

 

 Lady Macbeth (Maja Schöne) ist die einzige Antriebskraft für Macbeths (Bruno Cathomas) Königsmord. Sie zerstreut seine Skrupel

 

 

 

Szenen der Stille: Shakespears Hexen bewegen sich in der Inszenierung nackt und langhaarig während des ganzen Stücks geräuschlos über die Bühne

 

Bei der ersten Premiere von Percevals "Macbeth" bei den Ruhrfestspielen in diesem Sommer  spielte das insgesamt beeindruckende Ensemble des Thalia-Theaters in einer ehemaligen Fabrikhalle. Das Bühnenbild von Annette Kurz - eine Ansammlung von Tischen - konnte sich auf der Fläche ausbreiten. Bei der Hamburger Aufführung hat Kurz ein gigantisches und eindrucksvolles Mobile aus Tischen geschaffen, der Boden bedeckt mit alten Stiefeln, vielleicht die Überbleibsel der auf Macbeths Schlachten gefallenen Soldaten oder der Blutopfer seiner Karriere? 

Der wie immer großartige Bruno Cathomas interpretiert Macbeth mit Leidenschaft als einen ans pathologische grenzenden und von Depression heimgesuchten Schwächling, dessen Abhängigkeit von Lady Macbeth (Maja Schöne) im Grunde die eigentliche Antriebskraft zum Morden ist. Doch jeder Mord gebiert eine neue Bluttat, die wiederum ein Stück im Inneren des an der eigenen Grausamkeit zerbrechenden Königs zerstört.

 

 

 

Was Macbeth an natürlichem Antrieb fehlt hat Lady Macbeth zuviel. Ihr Motiv ist der aus fehlender Erfüllung (Kinderlosigkeit und ein antriebsloser, eventuell impotenter Gemahl) herrührende mörderische Ehrgeiz. Doch auch sie zerbricht am Ende an der Welle der Gewalt, die Macbeths Königsmord an Duncan ausgelöst hat.

Bei Perceval wird die harte Lady schließlich zur jähzornigen Trinkerin, die am Ende in Macbeths Armen stirbt; für den mordenden Neukönig Anlass genug zur endgültigen Selbstaufgabe.

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Percevals bemerkenswerte Inszenierung hinterließ nicht wenige Zuschauer bei der Premiere betroffen. Auch die Kritik mochte der Interpretation des blutigen Königsdramas nicht unbedingt begeistert folgen. Die Kritikerin des NDR Rundfunks gestand offen, dass sie diese Deutung des Stücks am Ende ratlos zurück gelassen habe. Doch fesselnd und faszinierend ist das Schauspiel nach Lesart Luk Perceval in jedem Fall. Und damit sehenswert.

 

 Verloren im Trümmerfeld der Emotionen

 

Ein Trümmerfeld aus Möbeln mit einem verloren wirkenden Kind im Hintergrund: Das geniale Bühnenbild von Annette Kurz

 

Alle Bilder und Text copyright Christian Fürst 2011