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WAS DIE KRITIK MEINT

Für das "Hamburger Abendblatt" ist die Inszenierung von "Cyrano" misslungen:

"Abenteuer, Liebe, Hoffnung, Sehnsucht, ein verpfuschtes Leben: Es ist doch alles da, was man für einen aufregenden und anregenden Theaterabend braucht. Hier aber wird eine willkürlich aufgesetzte Idee von der Küche als Experimentierraum verbraten und mit ihr gleich das ganze Stück in die Pfanne gehauen. Alle Mitspieler werden in die Küchenhierarchie gequetscht, ob's passt oder nicht. Eigentlich passt es nie.

Ein Duell wird in der Küche zu einem Wettkampf zwischen Schrubber und Messer, bei dem der Verlierer am Ende einen Apfel in den Mund gerammt bekommt. Den Verband, der danach seine Ohren ziert, behält er bis zum Ende - obwohl doch inzwischen 14 Jahre vergangen sind. Die heimlich geschmuggelten Liebesbriefe hängen hier an Wäscheklammern für alle sichtbar in der Küche herum. Was soll das? Der Ton des mehr als 100 Jahre alten Stückes wirkt antiquiert, das Spiel banal. Mehr als einmal fragt man sich, warum sich Roxane (Anne Schäfer) in den hübschen, aber kreuzbraven, doofen Christian verguckt hat, den Tillbert Strahl-Schäfer derart hölzern gibt, dass man ihm nicht nur einen Ghostwriter wünscht, sondern auch einen Trainer, der ihm etwas von Körperspannung erzählt."

"Nicht wirklich stimmig"

Die Deutsche Presseagentur meint zur Inszenierung:

"In seiner in die Gegenwart geholten Version gelingen Pitoiset, Leiter des Théatre National de Bordeaux, stimmige Aspekte und berührende Momente: So betont ein Dialog zwischen Cyrano und seiner Angebeteten per Skype-Technik die Auseinander- setzung der Inszenierung mit behaupteten oder verkannten Identitäten, wie sie die Kommunikation im Internet fördert.

Und dass des Dichters Ideale von Freiheit, Liebe und Poesie in der heutigen Arbeitswelt schnell verpuffen, leuchtet ebenfalls ein. Doch wirklich schlüssig wirkt das mit Klamauk und Bistromusik garnierte Küchenkonzept nicht - schon beim Herausgehen rätselten etliche Zuschauer über dessen besonderen Nährwert."

Hintergrund

(Inhalt des Ende des 19. Jhdts entstandenen Schauspiels. Quelle: Wikipedia)

 

Der Titelheld Cyrano de Bergerac, ein französischer Dichter des 17. Jahrhunderts, leidet unter seiner riesigen Nase. So mancher Spötter stirbt im Duell. de Bergerac ist in seine gutaussehende Cousine Roxane verliebt. Da er ihre Absage fürchtet, verbirgt er seine wahren Gefühle. Als Roxane ihm ihre Zuneigung zu Christian von Neuvillette gesteht, ist de Bergerac bereit, diesen zu unterstützen, indem er an seiner Stelle Gedichte schreibt. Der hübsche, aber als „arger Dummkopf“ geltende Christian von Neuvillette dient im gleichen Regiment wie de Bergerac bei den Gascogner Kadetten.

Um die romantischen Ansprüche der Angebeteten zu befriedigen, leiht de Bergerac dem Nebenbuhler sein poetisches Talent, so dass von Neuvillette den Erfolg allein genießt. Schließlich überzeugt de Bergerac die beiden davon, vor den Traualtar zu treten und entzieht Roxane damit dem Grafen Guiche, der sie zu seiner Geliebten machen will. Guiche ist zornig, und er rächt sich, indem er die Gascogner Kadetten samt de Bergerac und von Neuvillette in den Krieg an die vorderste Front schickt.

Obgleich durch die spanischen Belagerer ausgehungert und eingekesselt, schmuggelt de Bergerac im Namen von Neuvillette täglich zwei Briefe an Roxane durch die feindlichen Linien. Dieser Briefe wegen eilt Roxane mitten ins Heereslager zu ihrem Mann, dem sie nun gesteht, ihn nicht mehr wegen seiner „äußeren Hülle“ zu lieben, sondern wegen der Schönheit seiner Seele. Christian von Neuvillette ist entsetzt, da er weiß, dass er Roxane gegenüber nicht ehrlich war. Doch kurz bevor de Bergerac der gemeinsamen Geliebten den wahren Urheber der Briefe sagen kann, trifft die Todesmeldung ein: von Neuvillette ist gefallen und de Bergerac schweigt, um der trauernden Roxane das Andenken an den Liebeshelden zu erhalten. Erst 14 Jahre später entdeckt Roxane, die sich in ein Kloster zurückgezogen hat, die Wahrheit. Allerdings wird de Bergerac kurz vor dem obligatorischen Samstagsbesuch bei seiner Cousine durch einen Anschlag schwer verwundet, so dass er in ihren Armen, geschwächt durch Blutverlust und fiebrige Wahnvorstellungen, stirbt.

CF

D.Horwitz als Cyrano

Horwitz als Cyrano am Deutschen Schauspielhaus

von Christian Fürst, nmms -

„Ich hatte nie Stress damit, dass ich Jude bin und nie Stress damit, dass ich abstehende Ohren habe.“ Wer so etwas sagt, hat vermutlich die besten Voraussetzungen, diese Glanzrolle zu spielen.

Dominique Horwitz, gebürtiger Pariser und seit vielen Jahren gefeierter Bühnen- und Filmschauspieler in Deutschland, wurde im vergangenen Jahr für das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg verpflichtet. Und gleich zum Beginn der Spielzeit 2011/2012 spielt er jetzt hier die Titelrolle in Edmond Rostands romantischem Drama "Cyrano de Bergerac"; die Geschichte jenes Mannes aus dem 17. Jahrhundert, der zwar ein grandioser Dichter ist, dem aber wegen seiner ausgeprägten Nase Erfolg bei den Frauen verwehrt ist.

Doch Horwitz agiert in der Hamburger Inszenierung (eine Koproduktion mit den Ruhrfestpielen 2011) nicht als Degen-schwingender Abenteurer, der auf Schmähungen wegen seiner übergroßen Nase sofort blank zieht und Gegner massakriert. In der Interpretation von Regiseur Dominique Pitoiset scheuert der geniale Poet den Boden einer modernen Sterne-Küche und reagiert auf Provokationen und Mobbing seiner Kollegen mit Tobsuchtsanfällen. Im Begleittext zum Stück heißt es: "Pitoiset befreit das Stück von jeglicher Mantel- und Degenromantik und richtet den Blick auf die zeitlosen Fragen: Was ist Schönheit, was Hässlichkeit? Welche Wirkung haben Bilder und welche dagegen Sprache und Poesie? Was ist ideale Liebe? Und warum muss sie scheitern?"

 

Kritikerwaren von der Inszenierung des französischen Regisseurs wenig angetan und stellten (siehe Ausschnitte in der Infobox/Sidebar) sein gesamtes "Küchenkonzept" in Frage

 

Ich hatte Gelegenheit, Horwitz (und seine Angebetete Roxane/Anne Schäfer) in Aktion auf der Generalprobe für genau 20 Minuten zu beobachten und zu fotografieren:


 

 

Flirt unterm Kochtopf? Cyrano und Roxane

Roxane erkennt nicht, dass Cyrano sie liebt. Anne Schäfer hier mit Dominique Horwitz in der Inszenierung des Deutschen Schauspielhauses

 

Cyranos Liebesbriefe hängen auf der Wäscheleine und C. und Roxane kommunizieren über Skype