Bert Brechts Antigone

Brecht/Hölderlins Antigone

Arroganter Macho und Tyrann

 

 

In Dimiter Gotscheffs Interpretation der "Antigone" nach Sophokles, die am 25. Februar im Hamburger Thalia-Theater Premiere hat, geht es nicht nur um den Sieg der Menschlichkeit über Staatsmacht und -raison. Antigone, Tochter des Ödipus, lehnt sich gegen Thebens Herrscher Kreon auf, weil dieser verboten hat, den Leichname des Antigone-Bruders Polineikes vor den Toren der Stadt zu beerdigen. Im Widerstreit der gesellschaftlichen Normen mit dem Herrscher-Befehl entscheidet sich Antigone gegen die Staatswillkür, lehnt sich gegen Kreon auf und opfert ihr Leben dafür. Kreon stört das alles nicht. Eine Warnung des blinden Sehers Tiresias, der aus seiner Erfahrung heraus in die Zukunft blicken kann, kommt zu spät. Das Reich zerfällt. Kreon scheint das alles nicht zu berühren.

 

Brecht hat für seine Version des griechischen Dramas die Übersetzung Hölderins als Vorlage gewählt.

In Gotscheffs Interpretation gerät Kreon zum Tyrannen und Diktator libyschen Ausmaßes, in der Uniform eines lateinamerikanischen Diktators, dessen Umgang mit den Frauen wiederum an Italiens Berlusconi erinnert. Der Bulgare kann dabei seine berufliche Herkunft nicht verleugnen: Der Regisseur, der in Ost-Berlin bei Brecht-Schülern studierte, inszenierte ursprünglich in seiner bulgarischen Heimat und später auch in der DDR. Immer wieder fühlt man sich unter seiner Regie an Bert Brechts eigene Anweisungen erinnert, begleitet von dadaistischen Anklängen. 

 

 

Alle Bilder Christian Fürst copyright 2011


Bemerkenswert in der Inszenierung des Hamburger Thalia-Theaters Bernd Grawert (der zusätzlich zu seiner Schauspielkunst auch noch für die musikalische Begleitung an der Orgel sorgt) als arroganter und zur Gewalttätigkeit neigender Kreon sowie Patrycia Ziolkowska als zerbrechliche, aber willensstarke Antigone; dazu Bibiana Beglau in ihrer Dreifachrolle als Tiresias, Wächter und Bote.

Das spärliche Bühnenbild mit dem durch tropfende Seifenblasen symbolisierten Granatenbeschuss besorgte Katrin Brack.

Christian Fürst, 25. Februar 2011