Karin Neuhäuser

Karin Neuhäuser: "Wie lautet noch die unvergeßliche Zeile…”

Die Darstellerin begibt sich zögernd auf die kleine Bühne im Foyer des Hamburger Thalia-Theaters (Altona). Mit unsicheren Schritten stolpert sie im schlampig gebundenen Frottee-Morgenmantel auf das Podium. Schon an der ersten Stufe stürzt sie, fällt auf die Dielen, richtet sich wieder auf und sinkt auf die rote Plüsch-Couch. Sie greift zur Zigarette, wie mehrfach an diesem Abend, immer wenn sie ratlos ist. Sie flucht, greift zur Whisky-Flasche und beginnt einen Monolog des Unglücks.

Karin Neuhäuser, Jahrgang 1955, ist in ihrem Element. Sie spielt die alternde, vereinsamte Schauspielerin und Sängerin, erzählt von gescheiterten Beziehungen. Über Männer im Allgemeinen, Männer, die sie eigentlich liebt, aber auch verachtet, wenn sie von ihnen verlassen wird. Mit schonungsloser Offenheit redet sie übers Altern, über ihre vergangenen  Liebschaften. Mit zwei Fingern klimpert sie auf einem Miniflügel-Couchtisch und summt ein Lied dazu, nur ums es gleich wieder abzubrechen.

Dann ist sie plötzlich nicht mehr allein. Ihr musikalischer Begleiter, der Pianist Philipp Haagen, kommt im langen, altweißen Abendkleid, grell geschminktem Mund und blondgelockter Perücke auf die Bühne. Karin Neuhäuser, die in den vergangenen Jahren zahlreiche Preise für ihre Schauspielkunst erhalten hat,  geht zum Flügel, nimmt das Mikrophon und singt Jacques Brell, einen tief berührenden, ins deutsche übertragenen Text, der nahtlos ihren bisherigen, traurigen Monolog musikalisch fortsetzt.  

 

"Wie lautet noch die unvergeßliche Zeile…” heißt dieser musikalische Abend "von und mit Karin Neuhäuser und Philipp Haagen". Und natürlich ist der Titel Programm. Neuhäuser interpretiert die von Haagen brilliant begleiteten Chansons und Songs immer leidenschaftlich mit einer kräftigen und rauchigen Stimme. Ein wenig klingt es manchmal nach Hildegard Knef, nur singt sie besser, mitreißender. Immer geht es um den Schmerz der Liebe, meist die verlorene Liebe. Eine Kritikerin hat sie einmal als "Spezialistin für lebenshungrige Frauen" beschrieben. Tatsächlich spielt sie oft diese Rollen authentisch: lebenshungrige Frauen, aber auch enttäuschte Frauen, die Probleme mit dem Alt-werden haben.

Auch hier auf der Bühne wird die von Neuhäuser dargestellte Alt-Diva enttäuscht. Ihr Liebhaber teilt ihr telefonisch mit, dass er sie verlassen hat und nun mit seiner neuen Geliebten nach Paris fährt: "nach fünf Jahren und 21 Tagen", erinnert ihn die enttäuschte Sängerin, "aber bitte steig nicht in unserem Hotel ab, ja!" - Inzwischen hat Neuhäuser sich aus dem Morgenmantel gewunden. Und schließlich reißt sie sich auch die Perücke vom Kopf, wirkt mit dem fast kahlen Kopf schockierend entblößt. Doch dann kommt langsam diese energische, fast optimistische Note in ihr Spiel, die Lust an der Lebenslust, nur um wieder im Schmerz zu enden.


Karin Neuhäuser wird den eindrucksvollen musikalischen Abend am 9. März im Altonaer Thalia-Theater wiederholen.

Christian Fürst, 4. März 2011

(Die Bilder entstanden übrigens bei der Generalprobe am 2. März)

 

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