Eine indische Hochzeit
Heiraten wie im Märchen
Während in Europa oder den USA die Zahl der neu geschlossenen Ehen seit fast schon Jahrzehnten rückläufig ist, sind Hochzeiten in allen Teilen Indiens und in allen Gesellschaftskreisen nach wie vor groß in Mode. Da die Feiern meist von den Brauteltern ausgerichtet werden (müssen), können sie für das Portemonaie der betroffenen Familie zu einer gewaltigen finanziellen Belastung werden. Nicht wenige Väter stürzen sich für ein rauschendes Fest in Schulden. Schließlich misst sich die Bedeutung der Familie auch daran, wieviele Gäste zu dem großen (und hoffentlich einmaligen) Fest eingeladen werden können.
Hochzeiten mit bis zu 800 Gästen sind in der von vielen Punjabis bewohnten Hauptstadt Neu Delhi keine Seltenheit. Heiraten ist inzwischen zu einer echten Industrie geworden. Absolut professionelle Organisatoren/Innen und Veranstalter sowie Caterer für jede Art nationaler oder internationaler Küche blühen und gedeihen auf dem Subkontinent. Riesige Geschäfte machen natürlich auch die Juweliere und die Verkäufer edler Saris, die schon mal umgerechnet mehrere Tausend Euro kosten dürfen. In indischen Rupien ein kleines Vermögen!
Ich hatte Ende März zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren die Möglichkeit an einer Hindu-Hochzeit teilzunehmen. Die aus dem Punjab stammende Braut heiratete einen aus Maharashtra stammenden jungen Mann. Eine Liebesheirat. Noch immer ist dies die Minderheit in einem Land, in dem die von den Eltern arrangierte Ehen nach wie vor in der deutlichen Mehrheit sind.
Die Feiern ziehen sich über mehrere Tage. Diverse Parties werden - zwei tage vor der Hochzeit selbst - durch das Mehndi eingeleitet. Die Zeremonie, bei der die Handflächen und Füße der Braut kunstvoll mit einer Hennapaste durch Ornamente geschmückt werden. Auch die weiblichen Familienmitglieder und Freundinnen werden an diesem Mehndi-Morgen derart geschmückt.
Am Morgen der Hochzeit selbst folgt dann die religiöse Zeremonie, in der die Braut auf die bevorstehende Trauung vorbereitet wird. Im Mittelpunkt steht auch hierbei das Feuer, um das die Braut und ihre Familie Platz nehmen. Am Ende wird sie von allen Anwesenden mit goldenen Anhängern geschmückt, die an ihren Armreifen befestigt werden. Diesen Schmuck behält die Braut bis nach der Trauungszeremonie an.
Der Bräutigam kommt unterschiedlichen Traditionen folgend, entweder auf einem Elefanten, oder hoch zu Ross zur Trauung und wird dabei von einer Kapelle a7us Trommlern und Oboen-ähnlichen Quäken begleitet, die einen ohrenbetäubenden Lärm machen. Je nach Temperament tanzen dazu die Freunde und Familie des Bräutigams, der bei der Ankunft von der Schwiegermutter gesegnet wird.
zur Trauung selbst nehmen das Paar, die beiden Elternpaare und Geschwister im Kreis unter einem Baldachin Platz. Früher war dazu der Schneidersitz (oder Yogasitz) obligatorisch. Im Mittelpunkt der Zeremonie, die zwischen einer und drei Stunden dauert (in unserem Fall genau 60 Minuten) steht das Feuer, das vom Bräutigam mit Gee (Butterschmalz) und den Schwiegereltern mit einer an Torf erinnernden Substanz geschürt wird. zuvor haben die Brauteltern ihre Tochter dem Bräutigam übergeben, indem sie die Hände der beiden ineinanderfügen und mit einer Girlande verschließen. Symbolisch trinkt das Paar (Ganges)-Wasser aus offener Hand und die Braut füttert ihren künftigen Ehemann. Später stellt die Braut einen Fuß auf einen Stein, und - mit einem Band verknüpft wandert das Paar sieben Mal um die Feuerstelle. Zum Abschluss schließt der Bräutigam eine Goldkette um den Hals seiner Auserwählten und alle Anwesenden bestreuen das Paar mit Rosenblättern.
Ich hatte das große Glück, die gesamte Feier aus allernächster Nähe fotografieren zu dürfen. Die Lichtverhältnisse waren schwierig, aber das Strahlen der bildhübschen Braut, die ich seit ihrer Kindheit kenne, und das Leuchten in den Augen aller Beteiligten konnte ich dennoch einfangen. In jedem Fall ist eine Hindu-Hochzeit eine erheblich freundlichere angelegenheit. Kinder wurlen über den Platz, Gäste unterhalten sich mehr oder weniger laut und der Pandit macht Scherze. Und wenn dann noch Liebe mit im Spiel ist: was will man mehr!
Kamera: Canon 7D, 1:2,8/17-55mm IS und 1:4.0/70-200 IS L
Copyright Christian Fürst 2011