Naturpark Hohe Tauern - 100 Jahre zwischen Wissenschaft und Tourismus

 Steinadler, Murmeltier und Co: Artenschutz unter Menschen

Wie man in den Hohen Tauern Tourismus und Naturschutz unter einen Hut bringt 
von Christian Fürst, nmms
 
Vor genau 100 Jahren hatten ein paar deutsche Naturschützer eine ungewöhnliche Idee. Angespornt durch das große Vorbild US-amerikanischer Naturfreunde beschlossen Mitglieder des "Naturschutzparkvereins Hamburg-Stuttgart", unter anderem im benachbarten Österreich schützenswerte Gebiete aufzukaufen, um dort die natürliche Fauna und Flora vor dem Aussterben zu bewahren. Die Wahl der deutschen Naturfreunde aus Hamburg, Stuttgart und München fiel zunächst auf das riesige Gebiet um den Großglockner. Österreichische Naturschützer kauften daraufhin zunächst 11 Quadratkilometer schützenswertes Land. Sie legten damit den Grundstock für die Schaffung eines der bedeutendsten und das bis heute größte zusammenhängende Naturschutzgebiet in Mitteleuropa: Den Nationalpark Hohe Tauern. Bis heute ist der Naturpark eines der bekanntesten Erholungsgebiete Österreichs, das jährlich auch von Hunderttausender Deutscher Urlauber besucht wird. Doch das Naturschutzgebiet ist und bleibt ein Anziehungspunkt für Wissenschaftler aus aller Welt. Ein unlösbarer Interessenskonflikt?
 
Christian Fürst hat den Nationalpark besucht und berichtet:

 

Jetzt, mitten im alpinen Winter, schläft die Natur in der Höhe. Die dichte Schneedecke auf den Bergen der Hohen Tauern liegt wie ein weicher Schutzschild über den saftigen Bergwiesen. Während für die Wintersportler und die heimische Tourismusbranche in den Alpen jetzt die Hauptsaison angebrochen ist und allenthalben Hochbetrieb herrscht, bietet die kalte Jahreszeit für die Naturschützer im Nationalpark Hohe Tauern eine  wohlverdiente Atempause. Denn während der Vegetationsperiode hält das größte Naturschutzgebiet im  Alpenraum Wissenschaftler, Ranger und das gesamte Park-Management der Region ständig in Atem. Kaum ein Naturschutzgebiet der Welt ist besser wissenschaftlich erkundet, als dieses Schutzgebiet. Und die Zahl der Forschungsprojekte bleibt konstant hoch.

 
 Die Natur schläft, in den Alpen hat die Hochsaison begonnen: Auch in den natur-geschützten Hohen Tauern - Bild: copyright Klaus Dapra
 

Schutz der Artenvielfalt

Die Hohen Tauern, eine der schönsten Gebirgslandschaften Europas, sind nicht nur ein begehrtes Ziel für Urlauber aus Deutschland. Die Gebirgskette mit den höchsten Bergen Österreichs ist gleichzeitig ein schützenswerter Naturraum, der inzwischen auch durch internationale Verträge abgesichert ist. Das wichtigste und gesetzlich festgeschriebene Ziel ist und bleibt die Bewahrung der Artenvielfalt (Biodiversität) in dem rund 1 840 Quadratkilometer großen Gebiet.
 
                                                                                                                           Seine Majestät der Groß Glockner       (Bild 1 copyright Geiger, Bild 3 Rieger)
                                                   
Auch Hundert Jahre nach der Gründung ist das Ziel geblieben: Der Nationalpark Hohe Tauern ist zur größten Schutzzone seiner Art in Mitteleuropa herangewachsen, doch das Spannungsfeld zwischen der Naturschutzlobby und der mehrere Tausend Menschen zählenden Bevölkerung besteht noch immer. "Wir dürfen bei unserer Arbeit nicht die Menschen vergessen", warnt Nationalpark-Direktor Wolfgang Urban deshalb bei einem Gespräch im Nationalpark-Zentrum Mittersill. Noch immer gibt es Widersprüche zwischen den berechtigten Zielen beider Gruppen. Doch zumindest die österreichischen Tourismusmanager haben mit dem  scheinbaren Widerspruch von Naturschutz und wirtschaftlicher Entwicklung in dem sich über drei Bundesländer (Salzburg, Tirol, Kärnten) erstreckenden Schutzgebiet recht gut zu leben gelernt.
 
    Die Frage, "wie kann ich die Artenvielfalt bewahren und diese Maßnahmen mit den berechtigten Forderungen der Bewohner des Gebiets in Einklang bringen", beschäftigt Politiker und Naturmanager täglich. Denn während außerhalb der 1200 Quadratkilometer großen Schutzzone durch den Bau von Liften und Seilbahnen an Hängen und auf Skipisten jetzt im Winter reger Dauerbetrieb herrscht, sind derartige Eingriffe im geschützten Raum absolut tabu.
 
Zwar sind nach einer Studie aus dem Jahr 2009 nur wenige Hundert Bewohner aus der Kernzone voll im Fremdenverkehr beschäftigt, doch durch private Vermietungen, Freizeit-Landwirtschaft und andere Dienstleistungen profitieren viele von den (überwiegend deutschen) Urlaubern und sind im Bereich des Naturparks Hohetauern wirtschaftlich auf die Zugkraft dieser atemberauben Gebirgsregion angewiesen. "Ohne den Tourismus müssten vermutlich Hunderte, ja Tausende Berufstätige die Region zur Arbeitssuche verlassen und pendeln", meint Elisabeth Schmidl, die mehrere Jahre für den Tourismus im Gebiet Heiligenblut arbeitete.
 
Hauptsaison am Fuß des Groß Glockners ist noch immer der oft schneereiche und schneesichere Winter: "Schnee ist unser Wirtschaftsmotor," heißt es in den Hohen Tauern. Das bestätigen auch die Wirte der Lokale in den Höhenlagen. "Sommer ist für uns eigentlich nur eine Überbrückungs-Saison, damit unsere Leute beschäftigt werden können", betont ein Hoteldirektor.
 
 

International geschützt: Groß Glockner im Klimawandel

Wer den Groß Glocker besucht, der befährt mit Sicherheit auch - Trotz der recht hohen Maut - die fantastische Hochalpenstraße. Von dort hat man überwältigende Ausblicke auf das Großglockner Massiv  und auf die Dörfer mit ihren Kirchlein, tief in den Tälern. Hier findet man auch die ganze geschützte Tierwelt, die den Naturpark Hohe Tauern zu einem der wertvollsten Naturparks in Mitteleuropa gemacht hat. Ich selbst habe den Groß Glockner nie bei wirklich schönem Sonnenwetter erlebt. , aber der dramatische Wolkenflug hat ebenso seinen Reiz, wie plötzlich aufziehender Nebel. Und wenn dann noch in der Nachbarschaft die quicklebendige Murmeltiere pfeifen und sich vor ankommenden Gewittern wegducken - Was will man mehr.

 

In der Kernzone, wo wegen des Naturschutzes keine Lifte gebaut und Skipisten geschlagen werden dürfen, konzentriert man sich deshalb im Angebot auf geführte Schneewanderungen und - wo dies erlaubt ist, auf nordischen Skisportarten wie Langlauf, Rodeln, Biathlon. Im Sommer sind dann Wandern, Bergsteigen oder Höhenwanderungen angesagt. Vergleichsweise preiswerte Gruppenbesteigungen des Großglockners sind ebenso auf dem Programm, wie die Beobachtung des Steinwilds, der quirligen Murmeltiere, des majestätischen Steinadlers, des vom Aussterben bedrohten Bartgeiers oder der quicklebendigen Bachforellen. Inzwischen bieten die Hotels des Gebiets erfolgreich komplette Pakete an, in denen etwa Erholungsurlaub mit einer Großglockner-Besteigung kombiniert wird.

    
Und trotz des natürlichen Handicaps Naturschutz Beim "Taurerwirt" in Kals etwa, wo schätzungsweise 60 Prozent+ der Urlauber aus Deutschland kommen, ist man in diesem Winter mit der Buchungslage "sehr zufrieden". Wie die anderen großen Hotels und Pensionen der Region wirbt man hier mit Winterwandern, Skitouren oder Schneeschuhwandern. "Sanfter Tourismus" ist die Devise. Und die kommt zunehmend an.

 

 


Und alles nur zum Schutz der Natur?

 

"Nein", sagen die verantwortlichen Tourismusmanager im größten Naturschutzpark unseres Nachbarlandes, auch wenn sie wissen, dass der Erhalt der Umwelt heute für ihr Gewerbe überlebenswichtig ist. Auch in Gebieten ohne rasante Skipisten werde deshalb der Fremdenverkehr überleben: "Die Ansprüche an den Urlaub werden immer höher", sagt Elisabeth Schmidl, "und die Gäste suchen neue Formen der Erholung, wie zum Beispiel vollständiges Abschalten". Wo aber könnte man dies besser tun, "als inmitten dieser glorreichen und geschützten Natur!"

 

  

Daba-Klamm: Über viele Jahrtausende hat sich dieser Gebirgsbach tief in den Felsen geschnitten und donnert jetzt mit ohrenbetäubendem Getöse ins Tal

 

Durch die Wälder, durch die Auen - Wanderungen durch die Daba-Klamm

Sanfter Individual-Tourismus ist im Schutzraum des Hohe-Tauern-Nationlparks Trumph. Und wem das nicht genügt, der fährt in wenigen Minuten in die Randzone mit ihren insgesamt drei ausgebauten Skigebieten. Doch gerade die Wanderungen entlang reißender Gebirgsbäche und über die grünen, mit Blumen übersähten Auen (Mähder) haben großen Reiz. Die Daba-Klamm bei Kars ist dabei ein besonders lohnendes Ziel

 

 

Wissenschaft steht im Mittelpunkt

Schade nur, dass die drei österreichischen Bundesländer, die sich den Nationalpark "teilen", nicht wirklich gemeinsam für die Region werben. Das gilt zum Teil auch für die Wissenschaft: Mitteleuropas größter Naturschutzpark ist unter den drei Ländern Salzburg (größter Teil) Kärnten und Tirol aufgeteilt, die mehr oder weniger gemeinsam die gesetzliche Vorgabe erfüllen müssen: Den Artenschutz (Biodiversität), die Bildung und die Vermarktung des Gebiets. Allerdings werden die gesamten wissenschaftlichen Aktivitäten vom Hauptquartier in Mittersill aus koordiniert, wo auch die Datenbank zur Erfassung der Arten angesiedelt ist.  


Zahlreiche Broschüren und Schriften im Informationszentrum Mittersill klären über die Aktivitäten der nationalen und internationalen Wissenschaftler auf. Besonderes Schwergewicht liegt liegt dabei auf den Erfolgsprojekten der Biologen, darunter vor allem die Wiederansiedlung des Steinadlers, des Bartgeiers, oder des Steinwilds und der Urforelle. Eine "Erfolgs-Story" wurde auch das Murmeltier, das inzwischen allerdings von Bewohnern des Naturparks trotz seiner Possierlichkeit und Popularität bei den Touristen wegen seiner rapiden Ausbreitung und hemmungslosen Wühltätigkeit schon im Ruf eines Schädlings steht.

 

 

Und ewig pfeift das Murmeltier? Die kleinen und possierlichen Nager sind wegen ihrer oft maßlosen Wühlarbeit nicht besonders beliebt im Naturpark. Dagegen bilden sie unter anderem die Ernährungsgrundlage für den Steinadler

 

  

Blumen und Schmetterlinge im Naturschutzpark  

Mit erheblich kleineren und viel zahlreicheren Lebewesen befasst sich Gerhard M. Tarmann von Innsbrucker Landesmuseum, das sich traditionell um die Erfassung der Schmetterlinge im Naturpark kümmert. Schmetterlinge, so Tarmann, sind deshalb für das Gebiet und seine Erforschung so wichtig, weil sie "Umweltveränderungen schnell anzeigen, und weil sie und ihre Raupen bestimmte, aufeinander abgestimmte Lebensbedingungen brauchen." 

Tarmann erforscht die kleinen und großen Falter im Naturpark seit Jahrzehnten. Und da die mehr oder weniger hübschen Insekten zu 85 Prozent nachtaktiv sind, gibt er nächtens eine Demonstration auf einer Bergwiese. Vor einer grell angestrahlten weißen Wand sammeln sich hier innerhalb von wenigen Minuten Hunderte Insekten, die der Wissenschaftler dann mit seinen Assistenten nach Bedarf einfangen kann

  

Gerhard Tarmann beim Erklären der Schmetterlingsvielfalt

Schmetterlinge sind - so Tarmann - ein wunderbares Beispiel für das "natürliche Zusammenspiel zwischen Fauna und Flora": "Schmetterlinge brauchen Blumen zur Verbreitung. Die Anzahl der Schmetterlingsarten ist damit auch ein Indiz für die Vielfalt und Biodiversität. Hier ist sie so groß, weil es so viele Blumenwiesen, Schluchten und Nischen gibt, in denen sie ungestört leben können. Wir haben allein auf einer Wiese hier 682 verschiedene Arten gefunden", erläutert er. Dabei sei jedoch wichtig, dass die Wiesen nicht regelmäßig gemäht werden. Auf gemähten Wiesen sinkt der Bestand dramatisch ab.  

 Insgesamt gibt es im Alpenraum laut Tarmann etwa 6000 (von weltweit 180 000) Schmetterlingsarten. Im Nationalpark wurden        allein 1200 Arten registriert. "Bei Untersuchungen haben wir innerhalb von zehn Jahren sechs neue Arten entdeckt", erzählt der Wissenschaftler. Eines der Probleme bei der Erforschung sei das Sammeln der Tiere: "Wir haben es in Tirol zwar geschafft, das gesetzliche Sammelrecht zu erhalten. Jetzt haben finden wir keine Leute mehr, die die Schmetterlinge noch kennen."

Einige Arten sind allerdings in den vergangenen Jahrzehnten aus den Ostalpen verschwunden.  Tarmann und seine Kollegen führen das unter anderem auf den Atomunfall von Tschernobyl hin. Seinerzeit habe sich Cäsium im Boden abgelagert und radioaktive Alphastrahlen an die dort lebenden Raupen abgegeben. Dies wiederum habe zu Degenerationserscheinungen und dem Aussterben geführt. Zu den neu entdeckten Arten gehört einer, der ausschließlich in den Hohen Tauern vorkommt.  Der sogenannte Tauernwickler stammt ursprünglich aus Zentralasien, wo er heute jedoch nicht mehr gefunden wird.

  

Durch die Wälder, durch die Auen... 

 Ein wesentliches Element das Landschafts- und Naturschutzes in den Hohen Tauern ist der Erhalt der Bergmähder (Wiesen) , die im Sommer entlang der Hochalpenstraße - hoch über den Tälern der Hohen Tauern - in den schönsten Farben blühen. Hier finden Botaniker im Frühsommer zwischen 60 und 140 Arten von Blütenpflanzen, auf den maschinell gemähten Tieflandwiesen sind es dagegen nur 15-20. Ein wesentlicher Unterschied zu den Mähder im Tal: Hier oben wird nur einmal im Jahr mit der Sense gemäht. 

 

Doch auch in diesem entlegenen Teil der Welt wird die Artenvielfalt durch den zunehmenden Strukturwandel  in der Landwirtschaft gefährdet. Denn immer mehr Teilzeit- oder Feierabendbauern haben einfach nicht mehr die Zeit, das hohe Gras der Mähder mit der Hand zu mähen. Die Folge wäre ein Verlust an Artenvielfalt in Flora und Fauna, und gerade den will man in den Hohen Tauern doch vermeiden. Weitere Gefahr droht durch den Klimawandel. Sollte durch die befürchtete Klimaerwärmung die Baumgrenze in den Hohen Tauern weiter nach oben, über 2300 Meter, steigen, so würde das langfristig zu einer "Verwaldung" führen. Ist das "Aus" für die Wiesen und damit die Schmetterlinge also vorprogrammiert? Die Wissenschaft weiß darauf keine klare Antwort.

 

 

Blumen und Blüten, wohin man schaut: Vielseitige Wanderungen gehören zum festen Touristenprogramm in der Schutzzone

  

Seltene Blumen im Dorfer-Tal, und dazu "gesunde Kühe" die sich "Bio" ernähren....

 

Wo die "Hohen Tauern" wirklich hoch sind: Ausblicke von der berühmten Hochalpenstraße

 

Alle Bilder mit Ausnahme der besonders gekennzeichneten sind copyright Christian Fürst, 2012. Text copyright Christian Fürst, 2012

 

ACHTUNG: Hier gibts noch ein weiteres Feature zur Wiederansiedlung des Bartgeiers und der Ur-Forelle

 

Wichtige Kontaktadressen im Internet:

 

Nationalpark Hohe Tauern:                                        www.hohetauern.at
Ferienregion Nationalpark Hohe Tauern Salzburg:    www.nationalpark.at
Nationalpark Region Hohe Tauern Kärnten:               www.nationalpark-hohetauern.at

TOURISMUS GROSSGLOCKNER:
Tourismusverband Bruck / Fusch                               www.grossglockner-zellersee.info
Tourismusverband Heiligenblut                                  www.heiligenblut.at
Bergführerverein Heiligenblut                                    www.alpinschule-grossglockner.at
Fremdenführung Großglockner Hochalpenstraße:    elisabeth.eder@sbg.at

Salzburg Land Tourismus:                                          www.salzburgerland.com
Kärnten Werbung:                                                      www.kaernten.at
Osttirol Werbung:                                                       www.osttirol.com