Kent Nagano Nachfolger von Young
Nagano soll für Weltruf sorgen
von Christian Fürst, nmms
Vor rund 30 Jahren machte er in Großbritannien noch als hoffnungsfroher Nachwuchspianist auf sich aufmerksam. Inzwischen aber hat sich Kent Nagano (51) zu einem der renommiertesten Operndirigenten unserer Zeit entwickelt. In drei Jahren soll der zierliche Mann aus den USA mit japanischen Wurzeln deshalb auch das leicht ramponierte Image des Hamburger Musiklebens als Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper etwas aufpolieren. Denn Hamburg gilt heute mehr denn je als eine kulturlose Geldstadt, die es - siehe Elbphilharmonie - nicht einmal schafft, ein geeignetes Konzerthaus zu bauen.
copyright: Felix Broede
Hoffnung auf eine große Zukunft?
Nagano hat in den vergangenen Jahrzehnten eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Nicht nur hat er fast alle großen Orchester in den Musikhauptstädten dirigiert, seine Einspielungen von Opern, Sinfonien oder Konzerten auf CD gehen inzwischen in die Hunderte. Warum es einen Dirigenten dieses Kalibers demnächst an Elbe und Alster zieht, wo es neben dem Opernhaus kaum einen wirklich guten Konzertsaal gibt und wohin sich die großen orchester der Welt eher zufällig verirren, verriet er dem "Hamburger Abendblatt" in einem Interview am Mittwoch: " Es gibt ein Potenzial, die Oper, das Orchester. Die Stadt ist heute eine der lebendigsten und interessantesten weltweit."
Dass Hamburg seit Jahren eine kulturelle Flaute erlebt und selbst deutsche Pop-Größen der Elbmetropole den Rücken kehrten, will Nagano nicht abschrecken: "Qualität ist immer auch mit Elementen verbunden, die fließend sind, die wechseln. Diese Elemente sind nicht immer vorhanden. Qualität wird erreicht durch enorme Hingabe und Arbeit. Qualität kann auch einfach einmal verloren gegangen sein, doch die Elemente, die Qualität bedingen, sind für mich in Hamburg vorhanden. "
Und offen sagt er, was er in der Hansestadt erreichen will: "(Ich weiß), dass das Potenzial des Orchesters enorm ist, gleichermaßen das, was als Tradition in der Hamburger Oper enthalten ist. Eines meiner ersten Konzerte in Deutschland, Anfang der 90er-Jahre, war mit den Philharmonikern. Damals schon habe ich empfunden, dass das ein besonderes Ensemble mit einem eigenständigen Charakter ist. Es hat echte Persönlichkeit und eine echte Geschichte. Die Frage heute ist: Wie können wir dieser "Persönlichkeit" des Orchesters zu neuer Geltung verhelfen?"
Und auf die Frage der Zeitung, welches sein Ziel in Hamburg sei, meint der Amerikaner: "Ein 'bestes' Opernorchester der Welt zu werden. Dieses Ziel muss sein!". Mit diesem Orchester sei "alles möglich!"
Bis 2013 bleibt Nagano, der einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieb, freilich musikalischer Leiter der Münchner Staatsoper, die Hamburg schon lange den Rang abgelaufen hat.
Das volle Interview mit dem Hamburger Abendblatt lesen Sie hier
Naganos Homepage finden Sie hier
Simone Young bei Pressekonferenz
Im Dienste der Wohltätigkeit: Simone Young mit Alt-Fußballstar Uwe Seeler
Sie geht 2015 nach zehn Jahren in Hamburg: Simone Young (hier mit Doris Dörrie im Hintergrund)
Obwohl Simone Young sich in den vergangenen Jahren eher durch kritische Medienberichte in Erinnerung brachte, legte sie mit ihrem ausgezeichneten Opernorchester und dem immer wieder durch Weltstars aufgewerteten Sängerensemble eine ganze Reihe bemerkenswerter Operninszenierungen vor und sorgte als Direktorin für einen lebendigen Spielplan. Ein sensationeller Erfolg der Australierin wurde ihre Interpretation der Aribert-Reimann Oper "Lear" in der Spielzeit 2011/12, über die sich die Kritik weltweit begeisterte. Zu den Glanzpunkten in jüngster Zeit gehörte auch die Inszenierung der Telemann-Oper "Flavius Bertaridus", oder die Aufführung der 300 Jahre lang verschollenen Barockoper "Cleopatra" des Hamburger Kleinmeisters Johann Mattheson auf der kleinen Bühne der Hamburger Opera Stabile. Daneben dirigierte Young in den vergangenen Jahren eine Reihe selten gespielter Oper. So zum Beispiel "Palestrina" oder den knapp am Misserfolg vorbei geschlitterten "Don Giovanni" , den Doris Dörrie inszenierte (siehe Bild oben).
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Wieder ein Intendant: Schweizer Inspiration
Kent Nagano wird es leichter haben, als seine mit administrativen Aufgaben und politischem Gerangel geplagte Vorgängerin. Denn in dem Schweizer Georges Delnon (44) steht ihm ab 2015 ein Intendant vor, der sich in den vergangenen zehn Jahren an deutschsprachigen Bühnen als Regisseur und Organisator bewährt hat.
Kulursenatorin Barbara Kissler machte vor der Presse am Dienstag deutlich, dass der Erfolg des neue Duos an der Hamburger Dammtorstraße nicht an den üblichen Haushaltsengpässen scheitern solle. Die "Hamburgische Staatsoper" (wie sie offiziell genannt wird) werde zum Dienstbeginn Nagano-Delnon 2015 unbelastet von Defiziten durch Tarifkostensteigerungen sein. "Ihre erste Amtshandlung wird nicht die Verkündung von Sparbeschlüssen sein müssen." Mit ähnlichen Versprechen lockte die eifrige Kulturchefin bereits die neue Intendantin Karin Beier ans Deutsche Schauspielhaus und erreichte eine Vertragsverlängerung mit dem Thalia-Intendanten Joachim Lux.
Der Dritte im Bunde: ob der berühmte Ballettchef John Neumeier 2015 wohl noch in Hamburg ist ???
Der US-Amerikaner John Neumeier ist seit 40 Jahren Ballettchef in Hamburg. Hier feierte er viele Erfolge und untermauerte seine internationale Reputation. Ob der inzwischen 70-Jährige aber zum Start Naganos in Hamburg noch Ballettchef sein wird? erst vor wenigen Tagen gab das Ballett bekannt, dass Hamburg ihm die Mittel gekürzt habe, weshalb mit der Entlassung von bis zu zehn seiner Tänzer gerechnet werden müsse. Wenn es dabei bleibt, dann könnte Neumeier hinschmeißen.
Die Kürzungen, Bestandteil der allgemeinen Sparaktionen des Senats, erscheinen im Licht der jüngsten Ereignisse um die Nachfolge von Simone Young zumindest überraschend. Denn das Hamburg Ballett gehört tatsächlich zu den wenigen Hamburger Kulturinstitutionen von Weltruf.
Hier finden Sie Infos zu Neumeier und seinen jüngsten Choreografien:
Alle Fotos mit Ausnahme der Portraits von Nagano und Delnon Copyright Christian Fürst, 2012