Suche

Flavius Bertaridus

(nach Wikipedia)

Die Handlung spielt in Norditalien in den Jahren 661 bis 671. Zu dieser Zeit ist Grimoaldus der König der Langobarden. Der abgesetzte Bertaridus bittet durch seinen Getreuen Onulfus den König Grimoaldus, an den Hof zurückkehren zu dürfen. Seine Schwester Flavia setzts sich für ihn ein. Er weiß nicht, dass seine Frau Rodelinda und Cunibert sich als Hirten verkleidet und falschem Namen in der Nähe aufhalten. Rodelinda, und auch Flavia, wissen ihrerseits nicht, wo Bertaridus sich befindet. Der verkleidete Bertaridus trifft auf seine schlafende Schwester, die er trotz Rachegedanken nicht tötet. Sein Schwert lässt er liegen, wodurch Rodelinda erfährt, dass er in der Nähe ist.

Die inzwischen erwachte Flavia lädt Rodelinda und Cunibert – ohne zu wissen, wer sie sind –, an den Hof ein. Bertaridus trifft, noch im Wald, Frau und Kind; sie erkennen einander. Grimoaldus verliebt sich in die ihm fremde Frau (Rondelina), doch sie ist treu und will ihn in einen Hinterhalt locken. Im Dunkeln greift Rodelinda jeden an, der sich ihr nähert, auch den eifersüchtigen, ihr auflauernden Bertaridus und den Flavia erwartenden Orontes. Denn dieser liebt Flavia.

Grimoaldus nimmt Rodelinda fest, Bertaridus befreit sie. Grimoaldus stirbt auf einer Jagd. Flavia glaubt aber, er sei einem Anschlag Orontes’ zum Opfer gefallen. Enttäuscht über diese Reaktion, gaukelt Orontes ihr vor, ihr Kind Regimbert sei ermordet worden, was Flavia fast verzweifeln lässt. Doch besinnt er sich und führt es seiner Mutter wieder zu. Bertaridus und seine Familie erfahren durch den langobardischen Schutzgeist, dass Grimoaldus nicht mehr lebt. Bertaridus wird in seine alten Rechte eingesetzt; mit Einverständnis ihres Bruders ehelicht Flavia Orontes.

______________________

 

 

Stuttgarter Zeitung

Herzogs intelligente, atmosphärisch packende Inszeneirung, eine Co-Produktion mit der Hamburgischen Staatsoper, findet aber immer wieder zu psychologisch subtilen, fast magisch wirkenden Bildsequenzen.
 

"Die Presse" (Wien)

Nein, zum wohligen Genießen bloßer Liebesirrungen und -wirrungen, die mit Vokalartistik publikumswirksam ausgetragen würden, taugt dieser über viereinhalb Stunden währende Opernabend gewiss nicht – und das ist gut so. Herzog legt großen Wert darauf, die weißen Flecken im zwischen Deutsch und Italienisch wechselnden Libretto mit szenisch nachvollziehbarer Logik aufzufüllen, Unglaubwürdigkeiten realistisch zu begründen und teils überraschende Handlungen zu motivieren.

Leerstellen gab es auch in der Partitur: Alessandro De Marchi hat sie gefüllt und die historisch verbürgten Möglichkeiten voll genützt. Zu den Streichern tritt da eine exemplarisch reiche Bläserbesetzung. Die Academia Montis Regalis glänzt mit konzertierenden Instrumenten, wobei ein Chalumeau besonderen Zauber verbreitet: Kurzweilige und affektenreiche Musik in Telemanns „vermischtem Stil“ trägt den Abend – von der Erfindung her ohne Einzeljuwelen, aber auf konstant hohem Niveau.

 

Hamburger Abendblatt

Die Hamburgische Staatsoper, die mit dem verunglückten „Don Giovanni“ in der Inszenierung von Doris Dörrie vor fünf Wochen ungut in die Saison gestartet war, hat mit der ausgegrabenen Gänsemarkt-Oper „Flavius Bertaridus, König der Langobarden“ von Georg Philipp Telemann (uraufgeführt 1729) einiges an Terrain zurückgewinnen können. Man musste bei der Premiere am Sonntag bis zum Auftritt des Regisseurs warten, um kleine Teile des Publikums „Buh!“ rufen zu hören. Sie wurden sogleich von einem mächtigen Chor der „Bravo!“-Schreier in Schach gehalten. Tatsächlich ist Jens-Daniel Herzogs Regiearbeit gut hundert Bravos und allenfalls drei Buhs in Zimmerlautstärke wert.

(...)

Im fast auf Bühnensichthöhe hochgekurbelten Orchestergraben erwiesen sich die um ein paar Spezialisten an Theorbe, Barockharfe und Cembali erweiterten Hamburger Philharmoniker unter der Leitung des Alte-Musik-Könners Alessandro De Marchi als leidenschaftlich subtil und klangschön agierendes Paralleluniversum des Opernorchesters gleichen Namens. Mit den richtigen Leuten vor die Barock-Aufgabe gestellt, wachsen diese Musiker regelmäßig über sich hinaus.

So entlegen einem Telemann mitsamt dem 18. Jahrhundert, die Opera seria im allgemeinen und der Gänsemarkt als Opernstandort im besonderen heute erscheinen mögen: Der „Flavius“ ist endlich mal wieder eine Opernreise nach Hamburg wert.

Flavius Bertaridus

"Flavius Bertaridus" - Barockoper einmal anders

von Christian Fürst, nmms

 

Wenn auf der Bühne ein Mann mit Frauenstimme singt und eine Frau als Mann verkleidet ist, dann weiß der erfahrene Opernbesucher, er ist in einer Barockoper! In der Hamburger Staatsoper geschieht zurzeit genau dieses. Und zwar auf höchst erfolgreiche Weise. Zum 333. Geburtstag der einst über deutsche Grenzen hinaus renommierten Sangesbühne hat Operndirektorin  Simone Young die sehr selten gespielte Telemann-Oper "Flavius Bertaridus. König der Langobarden" ausgewählt. Fast 300 Jahre nach der nach der Uraufführung des Werks in der Vorgänger-Bühne der Staatsoper (am Hamburger Gänsemarkt) hatte das Werk jetzt Premiere.

Und sowohl mit der Auswahl des Werks, als auch mit der Inszenierung (Jens-Daniel Herzog) und der musikalischen Einstudierung durch den anerkannten Barockspezialisten Alessandro De Marchi ist Young ein Glücksgriff gelungen. Die Kritiken jedenfalls waren nach der Premiere überaus positiv, wie schon zuvor bei der Aufführung während der Innsbrucker Festwochen.

Aus dem etwas verwirrenden Geschehen der ursprünglichen Telemann-Oper hat Regisseur Herzog eine total modernisierte Handlung gestrickt, in der der an die Macht gekommene Herrscher Grimoaldus (Antonio Abete) einen durch und durch unsympathischen Despoten a la Muamar Ghaddafi abgibt, während seine Opfer, König Flavius (Maite Beaumont), seine Frau Rodelinda (Tatiana Lisnic) und sein Sohn Cunibert (Katerina Tretyakonva) auf Parkbänken als Obdachlose nächtigen. Auch den Handlungsverlauf im zweiten Akt (siehe Infobox links) ist zeitgemäß umgesetzt: Grimoaldus, ausgewiesener Weiberheld, vergewaltigt die Ehefrau von Flavius und wird darauf selbst gemeuchelt. Am Ende wird Flavius als Volkskönig vereidigt. Doch um das happy end nicht zu naiv zu gestalten, lässt Regisseur Herzog den toten Despoten wiederauferstehen. Den Rest mag man sich denken.

 


Am Ende siegt die Gerechtigkeit, aber das Böse lauert bereits wieder um die Ecke - Ein wenig Ironie oder Realismus zum Ende einer faszinierenden Oper

 

Ein Widerling Ghaddafi'scher Ausmaße: König Grimoaldus als notorischer Grapscher

 

 

Regisseur Herzog hat es geschafft, die aktuelle Handlung punktgenau und synchron unter die 280 Jahre alte Handlung Georg Philipp Telemanns zu legen und so den Spannungsabogen von der ersten bis zur letzten Szene zu erhalten. Und dort, wo es langweilig werden könnte, unterlegt er Orchester und Solisten mit passenden Szenen (etwa "koksende" Frauen auf der Damentoilette, siehe Foto). Die für Opernsänger durchaus beachtlichen schauspielerischen Darbietungen verhelfen dem Ganzen zu einer überzeugenden Inszenierung. Besonders schön der Gesang des Flavius (Maite Beaumont), ein wenig metallisch der kanadische Counter-Tenor von David DQ Lee als beflissener und ängstlicher Onulfus

 

Ein Obdachloser wird als angeblicher Oppositioneller  verprügelt und verhaftet, weil der verkleidete Flavius zuvor Huldigungsplakate für Diktator Grimoaldus abgerissen hat

 

"koksende" Damen im Restaurant als Nebenhandlung

 

Alle Texte und Fotos copyright Christian Fürst 2011