Cleopatra - Barockoper
Cleopatra auf "platt"? - weitgehend unbekannte Mattheson-Oper nach 300 Jahren in HH aufgeführt
von Christian Fürst, nmms
Die Hamburger Staatsoper hat in der zuende gehenden Saison bereits eine Barockoper mit großem Erfolg auf die Bühne gebracht. Nach Georg Philipp Telemanns "Flavius Bertaridus", die international Anerkennung fand, hatte am Wochenende (23. Juni) ein weiteres Werk dieser Epoche Premiere, das mehr als 300 Jahre in Hamburger Archiven zu verstauben drohte. "Die unglückselige Cleopatra, Königin von Egypten, oder Die betrogene Staatsliebe", so heißt das nahezu 3-stündige Werk des Hamburger Bach-Zeitgenossen Johann Mattheson, das im Jahre 1704 an der Hamburger Gänsemarkt-Oper uraufgeführt wurde. Und man kann Operdirektorin Simone Young zu dieser Entdeckung nur gratulieren. Zwar wird das von jungen Nachwuchssängern engagiert aufgeführte Werk "nur" auf der Bühne der kleinen "Opera Stabile" gezeigt, doch man darf hoffen, dass es nun nicht wieder für 300 Jahre im Archiv verschwinden wird. Bietet es doch zahlreiche musikalische Leckerbissen jenseits des üblichen Barock-Klanges. Nicht zuletzt barocken Bänkelgesang in Hamburger Plattdeutsch als musikalische Einlagen des Komponisten.
Eine unglückliche Königin: Mélissa Petit als Cleopatra in der Hamburger Aufführung der Mattheson-Oper
Aus Liebe zu Cleopatra nimmt er sich das Leben: Paulo Paolillo in der Rolle des Marc Anton
Hamburgs Opernchefin Simone Young überließ die Stabführung des auf Originalinstrumenten spielenden barocken Kammerorchesters diesmal ihrem (australischen) Assistenten Nicholas Carter. Er leitet die jungen Sänger sicher vom Cembalo hinter einem transparenten Zelt in stilgerechtem Pyramiden-Look. Die Uraufführung 1604 war noch unter der Leitung des Mattheson-Freundes Georg Fridrich Händel über die Bühne gegangen. Nach Angaben der Staatsoper straffte Carter die Partitur ein wenig, während Regisseur Holger Liebig dem historischen Drama einen durchaus zeitgemäßen Rahmen gibt. Cleopatra, gesungen von der gerade 21 Jahre alten Französin Mélissa Petit, wird am Ende ein Opfer des machtgierigen Augustus in der Uniform eines modernen Diktator-Generals. Ihre Kinder sterben im nur angedeuteten Feuer eines Exekutionskommandos.
Statt eines erfolgreichen Feldherrn erscheint der Marc Anton in dieser "Cleopatra" eher als Warmduscher und Anti-Macho, der nach einer Intrige Selbstmord begeht
Das brutale Spiel um die Macht
Aus Gründen der Staatsraison willigt Cleopatra in eine Verbindung mit Augustus ein, doch der treibt sie in den Tod
Das System der Tyrannei - Brutale Gewalt zum Machterhalt - hat sich über Jahrtausende nicht verändert: Die Quintessenz dieser "Cleopatra"
Regisseur Holger Liebigs Ziel, mit der Inszenierung dieser "vergessenen" Oper "lebendiges Theater" zu machen, ist aufgegangen. Matthesons Werk, eine von insgesamt sechs Opern (darunter sogar ein "Boris Godunow"), wirkt stets lebendig; die Dramaturgie im schnellen Szenenwechsel auf der nur spärlich ausgestatteten und durch einen durchgehenden Spiegel "vergrößerten" Bühne erscheint gelegentlich ein wenig verwirrend. Doch der hoch-dramatische Schluss, der das Liebes-Wirrwarr dieser Barockoper abrupt beendet, bietet eine stimmige, zeitgemäße Auflösung.
Die Entdeckung und Wiederaufführung eines musikalischen Juwels wie dieser "Hamburger Oper" durch das Internationale Opernstudio der Hamburger Staatsoper beweist einmal mehr, wie wichtig modernes Sponsorentum im heutigen Kulturbetrieb geworden ist. Ohne die Förderung etwa durch die Körber-Stiftung oder EADS Airbus wären solche Aufführungen heute nur schwer möglich. Dass selbst die lokale Presse kaum Notiz von diesem Ereignis nahm, ist umso deprimierender.
Text und Bilder zu diesem Beitrag copyright Christian Fürst, 2012
"Die unglückselige Cleopatra, Königin von Egypten oder Die betrogene Staats-Liebe" ist eine Produktion des Internationalen Opernstudios der Hamburgischen Staatsoper.
Inszenierung: Holger Liebig
Bühnenbild: Nikolaus Webern
Kostüme: Julia Schnittger
Choreografie: Maike Ipsen
Licht: Bernd Hanschke
Umfassende Infos zu der bemerkenswerten Wiederaufführung finden Sie hier