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"Cleopatra"

Musik. Leitung - Nicholas Carter
Cleopatra/Nemesis - Mélissa Petit
Marcus Antonius - Paulo Paolillo
Augustus - Levente Páll
Candace - Katharina Bergrath
Juba - Chris Lysack
Mandane - Nerita Pokvytyte
Ptolemäus - Juhee Min
Archibius - Thomas Florio
Dercetaeus - Daniel P. Witte
 

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Johann Mattheson (1681-1764)
(nach Wikipedia)

Johann Mattheson war ein Universalgenie seiner Zeit und erhielt als Sohn eines reichen Hamburger Kaufmanns früh eine umfassende Ausbildung sowohl in Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Italienisch und Latein) wie auch auf musikalischem Gebiet (Gesang, Violine, Orgel und Cembalo). Einer seiner Lehrer war der Organist Johann Nicolaus Hanff. Nach und nach erlernte er auch Gambe, Blockflöte, Oboe und Laute.

Bereits im Alter von neun Jahren sang er, sich selbst auf der Harfe begleitend. Er spielte Orgel in der Kirche und war Mitglied des Hamburger Opernchores. Wenige Jahre später sang er dort als Solist, leitete Proben und komponierte mit 18 seine erste Oper, deren Aufführung er selbst leitete und eine Hauptrolle darin sang.

Im Jahre 1703 lernte er hier Georg Friedrich Händel kennen und schloss mit ihm eine lebenslange, wenn auch nicht unproblematische, Freundschaft. Beide tauschten intensiv ihr Wissen aus, selbst wenn es zu handfesten Auseinandersetzungen über musikalische Ansichten kam. Während einer Aufführung von Matthesons Oper Cleopatra entstand Streit um die musikalische Leitung, der in ein Duell mündete. Ein Knopf an Händels Jacke verhinderte eine ernsthafte Verletzung. Die Kontrahenten versöhnten sich noch am gleichen Abend. Allerdings fühlte Mattheson sich offenbar zeitlebens von Händel missachtet.

Mattheson und Händel bewarben sich um die Nachfolge von Dietrich Buxtehude als Organist in Lübeck, die aber schließlich keiner der beiden annahm – der Bedingungen wegen, zu denen auch die Heirat der Tochter Buxtehudes gehörte. Beide kehrten nach Hamburg zurück, wo Mattheson 1704 den Posten als Hofmeister, bald auch Sekretär und Korrespondent des englischen Gesandten erhielt. Dieser bis ins hohe Alter ausgeübte Posten sicherte ihm ein Auskommen und einen gehobenen sozialen Status. Er beendete im folgenden Jahr seine Tätigkeit als Opernsänger und heiratete 1709 Catharina Jennings, eine englische Pastorentochter.

Im Jahre 1715 wurde Mattheson Vikar und 1718 Musikdirektor am Hamburger Dom. Diese Stelle mußte er 1728 aufgeben, als es zu einem schwerwiegenden Streit mit den Sängern seiner Oratorien kam, die ihn fortan boykottierten. Zudem ließ sein Gehör stark nach.

In dieser späten Periode verfasste er zahlreiche, viel beachtete musiktheoretische Schriften, wie die Generalbaßschule 1731, Die exemplarische Organistenprobe, ebenfalls 1731, sowie Der vollkommene Capellmeister, 1739. Zudem gab er Zeitschriften heraus, wie die erste deutsche Musikzeitschrift Der musicalische Patriot von 1728/29, und übersetzte Romane und Fachliteratur aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und Lateinischen.

1761, bereits zwei Jahre nach Händels Tod, gab er die deutsche Übersetzung der ersten Händel-Biografie von John Mainwaring heraus, der ersten in Buchform erschienenen Biografie eines Komponisten überhaupt.

Zu Matthesons Totenfeier erklang das zu diesem Anlass von ihm selbst verfasste Oratorium "Das fröhliche Sterbelied". Er wurde im Gruftgewölbe der St.-Michaelis-Kirche in Hamburg beigesetzt. Mit seinem Grabmal revanchierte sich die erst kurz zuvor wiedererrichtete Kirche für sein Vermächtnis von 44.000 Mark für den Bau einer neuen Orgel, die er mit dem Orgelbauer Johann Gottfried Hildebrandt gemeinsam konzipiert hatte.

Cleopatra - Barockoper

Cleopatra auf "platt"? - weitgehend unbekannte Mattheson-Oper nach 300 Jahren in HH aufgeführt

von Christian Fürst, nmms

Die Hamburger Staatsoper hat in der zuende gehenden Saison bereits eine Barockoper mit großem Erfolg auf die Bühne gebracht. Nach Georg Philipp Telemanns "Flavius Bertaridus", die international Anerkennung fand, hatte am Wochenende (23. Juni) ein weiteres Werk dieser Epoche Premiere, das mehr als 300 Jahre in Hamburger Archiven zu verstauben drohte. "Die unglückselige Cleopatra, Königin von Egypten, oder Die betrogene Staatsliebe", so heißt das nahezu 3-stündige Werk des Hamburger Bach-Zeitgenossen Johann Mattheson, das im Jahre 1704 an der Hamburger Gänsemarkt-Oper uraufgeführt wurde. Und man kann Operdirektorin Simone Young zu dieser Entdeckung nur gratulieren. Zwar wird das von jungen Nachwuchssängern engagiert aufgeführte Werk "nur" auf der Bühne der kleinen "Opera Stabile" gezeigt, doch man darf hoffen, dass es nun nicht wieder für 300 Jahre im Archiv verschwinden wird. Bietet es doch zahlreiche musikalische Leckerbissen jenseits des üblichen Barock-Klanges. Nicht zuletzt barocken Bänkelgesang in Hamburger Plattdeutsch als musikalische Einlagen des Komponisten.

 

Eine unglückliche Königin: Mélissa Petit als Cleopatra in der Hamburger Aufführung der Mattheson-Oper

Aus Liebe zu Cleopatra nimmt er sich das Leben: Paulo Paolillo in der Rolle des Marc Anton

 

Hamburgs Opernchefin Simone Young überließ die Stabführung des auf Originalinstrumenten spielenden barocken Kammerorchesters diesmal ihrem (australischen) Assistenten Nicholas Carter. Er leitet die jungen Sänger sicher vom Cembalo hinter einem transparenten Zelt in stilgerechtem Pyramiden-Look. Die Uraufführung 1604 war noch unter der Leitung des Mattheson-Freundes Georg Fridrich Händel über die Bühne gegangen. Nach Angaben der Staatsoper straffte Carter die Partitur ein wenig, während Regisseur Holger Liebig dem historischen Drama einen durchaus zeitgemäßen Rahmen gibt. Cleopatra, gesungen von der gerade 21 Jahre alten Französin Mélissa Petit, wird am Ende ein Opfer des machtgierigen Augustus in der Uniform eines modernen Diktator-Generals. Ihre Kinder sterben im nur angedeuteten Feuer eines Exekutionskommandos. 

 

Statt eines erfolgreichen Feldherrn erscheint der Marc Anton in dieser "Cleopatra" eher als Warmduscher und Anti-Macho, der nach einer Intrige Selbstmord begeht

 

Das brutale Spiel um die Macht

Aus Gründen der Staatsraison willigt Cleopatra in eine Verbindung mit Augustus ein, doch der treibt sie in den Tod

 

Das System der Tyrannei - Brutale Gewalt zum Machterhalt - hat sich über Jahrtausende nicht verändert: Die Quintessenz dieser "Cleopatra"

 

Regisseur Holger Liebigs Ziel, mit der Inszenierung dieser "vergessenen" Oper "lebendiges Theater" zu machen, ist aufgegangen. Matthesons Werk, eine von insgesamt sechs Opern (darunter sogar ein "Boris Godunow"), wirkt stets lebendig; die Dramaturgie im schnellen Szenenwechsel auf der nur spärlich ausgestatteten und durch einen durchgehenden Spiegel "vergrößerten" Bühne erscheint gelegentlich ein wenig verwirrend. Doch der hoch-dramatische Schluss, der das Liebes-Wirrwarr dieser Barockoper abrupt beendet, bietet eine stimmige, zeitgemäße Auflösung.



 

Die Entdeckung und Wiederaufführung eines musikalischen Juwels wie dieser "Hamburger Oper" durch das Internationale Opernstudio der Hamburger Staatsoper beweist einmal mehr, wie wichtig modernes Sponsorentum im heutigen Kulturbetrieb geworden ist. Ohne die Förderung etwa durch die Körber-Stiftung oder EADS Airbus wären solche Aufführungen heute nur schwer möglich. Dass selbst die lokale Presse kaum Notiz von diesem Ereignis nahm, ist umso deprimierender.

 

Text und Bilder zu diesem Beitrag copyright Christian Fürst, 2012

 

"Die unglückselige Cleopatra, Königin von Egypten oder Die betrogene Staats-Liebe" ist eine Produktion des Internationalen Opernstudios der Hamburgischen Staatsoper.

 

Inszenierung: Holger Liebig
Bühnenbild: Nikolaus Webern
Kostüme: Julia Schnittger
Choreografie: Maike Ipsen

Licht: Bernd Hanschke

 

Umfassende Infos zu der bemerkenswerten Wiederaufführung finden Sie hier