Weihnachtsmärkte: Millionen im Punch-Rausch

Im seligen Weihnachtsrausch - Heilige Nacht bis ins neue Jahr?

von Christian Fürst, nmms

 

Der alte Mann sah fast so aus, wie man sich einen Weihnachtsmann vorstellt. Ihm fehlten nur die dicken Backen und einige Schneidezähne. Und statt Rudolph-The-Red-Nose-Rendeer saß ein Stoff-Äffchen auf seiner alten und bescheidenen Drehorgel auf der er regelmäßig ein paar Takte Weihnachtslieder spielte. Mit seinem immer wiederkehrenden "Oh Du Fröhliche" könnte er einem eigentlich auf die Nerven gehen, dachte ich; und doch war der Klang dieses alten deutschen Weihnachtsliedes den Passanten in der Mönkebergstraße so lieb und vertraut, dass viele ihr Kleingeld in seiner alten Tabakdose ablegten.

Es war wenige Tage vor dem Heiligen Abend, und die meisten waren bepackt mit Einkaufstüten für ein "Frohes Fest". Und nur wenige Hundert Meter weiter war - nicht nur an diesem Abend - der Teufel los. Tausende, ja wohl Zehntausende drängten sich auf dem Weihnachtsmarkt am Rathausplatz, der so überfüllt war, dass die Menschenmassen in den engen Gassen häufig zum Stillstand kamen. Hier war absolut nichts von "Stille Nacht, Heilige Nacht" zu spüren. Stattdessen grölte es "Last Christmas" aus den Lautsprechern, und alle möglichen anderen US-Christmas-Importe. Und spätestens hier wurde jedem klar: Das traditionelle Weihnachtsfest ist tot, es lebe White Christmas, bestenfalls mit Holzspielzeug aus Good Old China und dem HoHoHo von Father Christmas, bei dessen Anblick auf dem Markt die meisten Kinder mit leuchtenden Augen zu ihren Fotohandies greifen.

 

Nur er hatte sie noch: Deutsche Weihnachtslieder sind auf den Hamburger Weihnachtsmärkten nicht "in" - "Stille Nacht" ohne Chance  gegen "Last Christmas"

 

Kein Platz mehr für Kinder oder Tiere: Hier gehts zum Punsch-Trog: Am besten noch mit einem "Schuss" von klarem Schnapps

 

 

 

Das protestantische Hamburg ist in diesem Jahr besonders festlich beleuchtet. Die Straßenbeleuchtung in der Innenstadt, vor allem am Neuen Wall, aber auch in der Mönkebergstraße taten sich da besonders hervor. Und als Beobachter wird man den Eindruck nicht los, dass die Zahl der Weihnachtsbuden und der Märkte, auf denen Weihnachtsstimmung verbreitet werden soll, erneut zugenommen hat. 16 Märkte sind es in diesem Jahr, und einige davon haben auch jetzt, nach dem "Fest" noch geöffnet. Schließlich muss sich der enorme Aufwand für den Aufbau der massiven Holzhütten und Blockhäuser ja lohnen, und die Hamburger nutzen jeden Grund zu feiern. 5 Millionen Besucher wurden nach offiziellen Angaben seit der Eröffnung auf den Märkten im Dezember gezählt.

 

Hamburgs elegantestes Einkaufsviertel um den "Neuen Wall" hat die hellsten Lichterketten

Klein aber fein und viel weniger laut: Weihnachtsstimmung am Gänsemarkt

Auch in diesem Jahr zogen die Weihnachtsmärkte zahlreiche Straßenmusikanten und Gelegenheitssänger an, wobei russische (oder ukrainische) Sänger/Akkordeonisten mit ihren Don-Kosaken Gesängen inzwischen den Markt (nicht nur an Weihnachten) voll zu beherrschen scheinen. Und - anders als viele deutschen Straßenbarden - beherrschen sie meist ihr Hand- und Mundwerk, auch wenn man sie nicht versteht. 

Trotzdem "besinnlich", wie sich so viele ihr Weihnachten wünschten, waren Hamburgs Weihnachtsmärkte in diesem Jahr sicher nicht. Zeichen der Zeit? Im romantischen Wien, wo wir sechs Jahre lebten, war es in den vergangenen Jahren kaum anders. Vielleicht nicht ganz so lärmig und überfüllt. Dafür war dort der schwere Alkoholdunst doch noch um ein mehrfaches schlimmer...

 

 "Merry Christmas" an alle Machos auf St. Pauli! - gesehen von CF auf dem Weihnachtsmarkt an der Reeperbahn

 

 

Auch wenn es stürmt und schneit - wie hier auf St. Pauli - Die Hamburger lieben Weihnachtsmärkte (und andere Feste)