Woche 20 Buchenwald & Weimar

Geist & Ungeist

    

     

Goethes Gartenhaus und der Eingang zum ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar

Es ist nicht selten, dass sich Gegensätze anzuziehen scheinen. Wohl nirgends jedoch liegen Orte so nahe beieinander, die Höhen und Tiefen menschlichen Geistes, Ausdruck von höchster kultureller Entwicklung und tiefster menschlicher Verwirrung und Entartung eindringlicher und zugleich abstoßender verkörpern, als im thüringischen Weimar, der Stadt Goethes und Schillers, und Buchenwald, dem ehemals größten Konzentrationslager der Nationalsozialisten auf deutschem Boden. Unten im Tal in einem idyllischen Park an der Ilm das Gartenhaus Johann Wolfgang von Goethes. Oben auf dem Ettersberg die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald, umweht noch immer vom Atem der Unmenschen -  Ort des absoluten Grauens, 

Dort, wo Menschen Menschen demütigten, erniedrigten und äußerlich ihrer Würde beraubten, dort wo Menschen nur deshalb litten und verhungerten, gemordet oder gemeuchelt wurden weil sie anders dachten oder anders waren als die herrschende Mehrheit der Deutschen, dort konnte doch der Geist, der Wille zum menschlichen Ausdruck in der Kunst und durch die Kunst nicht vernichtet werden. Wo im Lager die Einen sich im Widerstand versammelten, versenkten sich die Anderen in die Kunst. Malerei als Dokumentation des Grauens aber auch der Sehnsüchte nach einem einst gekannten Glück in Freiheit - all das findet sich in Häusern des Gedenkens - und vieles mehr.

 Karol Konieczny "Leichenkarren"
 

Wandel


Buchenwald 1986 (Archiv A. Pawlouschek)

Die Deutsche Demokratische Republik in ihrem Geschichtsverständnis, das dem Ideal von Geschichtsklitterung recht nahe kam, klammerte aus, was nicht ins Bild von den heroischen Opfern passte, die von Kommunisten und anderen erklärten Antifschisten erbracht worden waren. Dass in Buchenwald rassistisch Verfolgte wie  Juden oder Sinti und Roma, sogenannte Arbeitsscheue, Asoziale, Gewohnheitsverbrecher und Homosexuelle oder auch Zeugen Jehovas gelitten hatten und Leid nicht teilbar ist - all das interessierte das SED-Regime nicht. Nach der politischen Wende wurde relativ schnell auch die Wende in der Außendarstellung aber auch der Binnensicht des Lagers Buchenwald eingeleitet: Im Auftrag des thüringischen Wissenschaftsministers formulierte eine Kommission aus Historikern Leitlinien einer Neukonzeption so:

 

"Es soll sowohl an das NS-Konzentrationslager als auch an das sowjetische Speziallager Nr. 2 erinnert werden.
Der Schwerpunkt soll auf dem Konzentrationslager liegen.
Die Erinnerung an das Speziallager Nr. 2 soll nachgeordnet werden.
Die Erinnerungsstätten sollen räumlich deutlich voneinander getrennt sein.[...]
Die von der Parteilichkeit der DDR-Geschichtsschreibung geprägte Dauerausstellung muss auf der Grundlage des Forschungsstandes neu konzipiert und neu gestaltet werden. [...]

Zitiert aus www.buchenwald.de

Blühende Landschaften

Wer voll schwerer Gedanken die Gedenkstätte verläßt und den Ettersberg hinabfährt, wird jäh daran erinnert, wie sehnsuchtsvoll die Häfltlinge des Konzentrationslagers in die Tiefebene geblickt haben mögen. Ihre Gemälde und Zeichnungen erinnern und mahnen zugleich...

 Karl Schulz "Blick in die Freiheit"

Was bleibt ist der "Schwur von Buchenwald", ein Gelöbnis überlebender Lagerinsassen,  verlesen am 19. April 1945, neun Tage nach dem Beginn der Befreiung des Lagers durch Soldaten der US-Armee:

"Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die  Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel."

Im Mai 2013, achtundsechzig Jahre danach, wird der 93-jährige ehemalige SS-Mann Hans Lipschis in Untersuchungshaft genommen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord in 9.515 Fällen vor.  Lipschis war Wachmann im Konzentrationslager Ausschwitz.

 

Texte und Bilder copyright Andreas Pawlouschek, nmms Mai 2013