HH Piratenprozess weiter öffentlich

Gericht: Piratenprozess bleibt öffentlich

Von Christian Fürst (nmms)
 
   Hamburg – Der sogenannte Piratenprozess gegen zehn Somalier vor dem Hamburger Landgericht bleibt  wegen des großen internationalen Interesses weiter öffentlich. Das Gericht lehnte am Montag den Antrag mehrerer Verteidiger ab, die Öffentlichkeit zum Schutz von drei noch jugendlichen Angeklagten auszuschließen. Der vorsitzende Richter Bernd Steinmetz begründete die Entscheidung insbesondere mit dem starken nationalen und internationalen Interesse an dem Verfahren. Eine Gefahr für die spätere Wiedereingliederung der Jugendlichen nach der Verbüßung einer möglichen Freiheitsstrafe sah er nicht.
 
   Der Verteidiger des heute 16-jährigen Yussuf M. beantragte inzwischen die Haftentlassung seines jugendlichen Mandanten.
 
   Den zehn Angeklagten Somaliern wird vorgeworfen,  am 5. April dieses Jahres das unter deutscher Flagge fahrende Containerschiff MV Taipan rund 530 Seemeilen vor der Küste Somalias nach einem kurzen Feuergefecht mit der 13-köpfigen Besatzung geentert und in ihre Gewalt gebracht zu haben. Die versuchte Entführung scheiterte jedoch, denn die Besatzung des gekaperten Frachters rettete sich rechtzeitig in einen gesicherten Schutzraum  und alarmierte über Funk die internationale Schutzflotte gegen Piraterie. Niederländische Marinesoldaten enterten daraufhin von Hubschraubern aus das Schiff. Die Piraten wurden nach rund vier Stunden von den  Kommandos überwältigt und festgenommen. Zunächst wurden sie nach Holland gebracht. Im Juni wurden die Verdächtigen schließlich von den Niederlanden an Deutschland ausgeliefert und nach Hamburg verlegt.
 
   Richter Steinmetz begründete die Entscheidung, die Journalisten nicht von dem Verfahren auszuschließen, mit dem "übergeordneten nationalen und internationalen Interesse" an den Vorgängen am Horn von Afrika.  Diese beschäftige zurzeit selbst die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen. Außerdem seien Zweifel an der Rechtmäßigkeit des deutschen Verfahrens geäußert worden. Dass im Internet nach der Eröffnung des Verfahrens vor einer Woche entgegen einer Anordnung des Gerichts „ungepixelte“ Bilder der Angeklagten veröffentlicht wurden, sieht Steinmetz nicht als gravierend an. Schließlich seien Portraits der Somalier bereits nach deren Verlegung nach Hamburg veröffentlicht worden.
 
   Inzwischen hat ein weiterer Verteidiger die Haftentlassung seines Mandanten beantragt. Der zum Zeitpunkt der gescheiterten Schiffsentführung 16-jährige Yussuf  M. müsse – so die Einschätzung seines Anwalts – selbst im Falle einer Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht nicht mit einer längeren Haftstrafe rechnen.  Aus diesem Grund sollte er aus der Haft entlassen und in einem Heim untergebracht werden.
 
  Yussuf M. ist nach Meinung des Anwalts ein Opfer der verheerenden Lage am Horn von Afrika. „Yussuf M. verlor mit vier Jahren beide Eltern und hatte seit seinem 10. Lebensjahr praktisch niemanden, der sich um ihn kümmerte. Dieses Leben in Somalia sei unter anderem von „marodierenden Banden“ bestimmt: „Alles, was er weiß, ist in dieser archaischen Gesellschaft von Hunger, Not und Gewalt geprägt“. Ob er sich bewusst den Piraten angeschlossen habe, sei unklar.
 
   Wann das Gericht über den Antrag entscheidet, ist noch nicht bekannt. Der Prozess wird voraussichtlich bis Ende März 2011 dauern. Bereits am ersten Verhandlungstag hatte einer der 20 Pflichtverteidiger die sofortige Einstellung des Verfahrens gegen den Jugendlichen Ahmed W. beantragt, der nach Informationen der Verteidigung zum Zeitpunkt der Tat 13 Jahre und damit nach deutschem Recht noch nicht strafmündig war. Sachverständige der Staatsanwaltschaft, die in den kommenden Wochen gehört werden sollen. Hatten sein Alter mit 18-19 Jahren angegeben.
Der Prozess wird am 8. Dezember fortgesetzt
Christian Fürst, 1. Dezember 2010
 
Hier ein weiterer Bericht zum Pirateprozess