Gysi, Lafontaine &Cie.

 Für mehr soziale Gerechtigkeit - Die Linke

Oscar Lafontaine,  die Hamburger Spitzenkandidatin Dora Heyenn,  Gregor Gysi und Gesine Lötzsch

 

Es war eine Stimmung in der "Fabrik" in Hamburg Ottensen, als wäre Chick Corea zu einem seiner legendären Konzerte angereist, und ebenso voll war es auch in der Kultstätte. Nicht Kunst und Kultur wurden jedoch geboten, sondern mitreißende, hochemotionale Ansprachen, in denen viel von sozialer Ungerechtigkeit die Rede war. Die Linke hatte am Freitag Abend (18.02.2011) geladen und bot auf, was in der Republik an Meistern der Rhetorik aufzubieten ist. Aus Berlin angereist waren Fraktionschef Gregor Gysi und die Parteivorsitzende, Gesine Lötzsch. Oscar Lafontaine, mit lauten und herzlichen Oscar, Oscar-Rufen begrüßt, kam aus dem Saarland. Und wie eine südamerikanische Tanzgruppe zum Auftakt, entzündeten diese drei ein Feuerwerk, diesmal nicht musikalisch und choreographisch sondern politisch. All das wurde angeprangert und gefordert was die anderen Parteien während des kurzen Wahlkampfs sorgfältig vermieden hatten anzusprechen: Ungerechte Steuergesetzgebung, Missachtung des Bürgerwillens, zunehmenden und unverholenen Lobbyismus in den Parlamenten, Verstaatlichung von Verlusten der Großbanken bei gleichzeitigem Ausverkauf von Volkseigentum. 

 

 

Oscar Lafontaine, früherer Parteivorsitzender "Die Linke", in der Hamburger Fabrik

 

Der frühere Parteivorsitzende zog alle Register seines scharfen Intellekts und seiner brillanten Rhetorik. Voller Sarkasmus lud er Hamburgs Milliardäre ein, Die Linke zu wählen, denn nur so könnten sie ruhig schlafen. Lafontaine, der jahrzehntelang Spitzenpositionen in der SPD innehatte und als Sozialdemokrat vierzehn Jahre lang Ministerpräsident im Saarland war, Finanzminister im Kabinett Schröder, Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat, ließ vor allem an den alten Genossen kein gutes Haar. Aber auch die Grünen, zu denen einmal seine verstorbene Freundin Petry Kelly gehört habe, kamen nicht ungeschoren davon. So richtig in Rage redete sich Lafontaine, als er auf den Moralverlust in der aktuellen Politik zu sprechen kam. Er zitierte Willy Brandt mit den Worten "von deutschem Boden darf nie mehr Krieg ausgehen", um den Krieg am Hindukusch anzuprangern. Am Tag seiner Rede waren bei einem Attentat in Afghanistan drei Bundeswehrsoldaten getötet worden. Wie sehr das Wertesystem in Deutschland auf dem Kopf stehe, beleuchtete Lafontaine mit einem Beispiel. Während in Frankreich das Buch des Nazi-Opfers Stéphane Hessel "Wehret Euch" die Nation bewege und millonenfach gelesen werde, sei das Buch eines Herrn Sarrazin hierzulande Bestseller.

 

 Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundestagsfraktion "Die Linke"

 

Parteichef Gysi, der seit Tagen den Hamburger Genossen Schützenhilfe leistete, zeigte sich entsetzt von den sozialen Gegensätzen in der Hansestadt. Und so war es nur logisch, dass er in seiner Rede Umverteilung forderte, zu der er sich leidenschaftlich bekannte. Seine Forderungen waren dabei ebenso bekannt wie unrealistisch. So zum Beisipiel die Sanierung der Rentenversicherung auch langfristig, indem alle, auch Beamte und Selbstständige Beiträge zahlen müßten. Oder die Anhebung des Spitzensteuersatzes, den nicht etwa Altkanzler Kohl abgesenkt hätte, der habe sich dazu gar nicht getraut, sondern der SPD-Kanzler Schröder. Der, so Gysi weiter voller Schärfe, als Mann aus kleinen Verhältnissen alles getan habe, damit Kinder aus ähnlichen Verhältnissen keinen vergleichbaren sozialen Aufstieg schaffen. Den Spitzenkandidaten der SPD in Hamburg, Olaf Scholz, machte er als einen der Hauptschuldigen für die soziale Misere aus, in der sich Hartz IV-Empfänger befänden. Scholz habe mit Müntefering und Steinmeier die Agenda 2000 ausgeheckt, deren Folgen nun sechs Millionen Bundesbürger am eigenen Leib zu spüren bekämen. Mit langanhaltendem Beifall wurde quittiert, als Gysi das Bankensystem frontal anging. Es sei skandalös, dass sich die Deutsche Bank bei der Europäischen Zentralbank eine Milliarde Euro leihen dürfe, um diese dann ohne großes Zutun als Kredit an das Not leidende Griechenland als Kredit weiterreiche - zum Zins von elf Prozent. Solche Beispiele kamen an. Und bevor der Magier des Worts die Hamburger Genossen verließ bat er noch, ihm einen schönen Sonnatg zu bescheren - mit einem Wahlergebnis von sieben Prozent als Motivationsschub für alle Wahlen, die in diesem Jahr noch folgen werden. Langanhaltender Beifall war der Dank für einen sichtlich erschöpften aber zufriedenen Gregor Gysi. Und so endete ein Abend ebenso fulminant, wie er begonenn hatte.