Wer zählt die Völker, nennt die Bienen...

Wer kennt die Völker - zählt die Bienen

Imkerei auf dem Großmarkt Hamburg

 

Es ist groß, das Gelände, sehr groß sogar, wie es sich für den Markt gehört, der die Menschen der Millionenstadt Hamburg täglich mit Obst, Gemüse oder auch Blumen versorgt. Und irgendwo, weit weg vom geschäftigen Treiben des Marktgeschehens, dort wo die Welt wie mit Brettern vernagelt scheint, stehen am Ende einer Sackgasse am Uferrand eines Kanals ein paar unscheinbare Holzkisten, wie nicht bestellt und deshalb auch nicht abgeholt. Welch unglaubliches Gewusel sich im Inneren dieser Bretterverschläge abspielt, welch reges Treiben der Rohstoffsammlung, offenbart sich erst, nachdem ein Mann vom Fach eingetroffen ist. Es ist nicht irgend ein Fachmann, Stephan Iblher, Imker aus Leidenschaft ist Landes-Geschäftsführer des DBIB, was für "Deutscher Berufs und Erwerbs Imker Bund" steht. 

        

Vermittelt hatte den Termin die Pressechefin des Großmarktes, Alexandra Adler, der an dieser Stelle gedankt sei, und die furcht- aber nicht völlig schutzlos dem Treiben Stephan Iblhers folgte und durchaus Mitleid zeigte, als dem schutzlosen Fotografen in's Ohr gestochen wurde.

Landmann ohne Land

 

Es sind nicht viele, die in der Hansestadt Hamburg hauptberuflich als Imker/In arbeiten, aber alle, so Iblher, tragen ihren Teil dazu bei, und das gerne, dass dem Bienensterben wenn schon nicht Einhalt geboten wird, so doch die Bestände nicht auch noch dezimiert werden. Der gelernte Tischler, der als mittelständischer Unternehmer mehr als dreißig Mitarbeiter beschäftigt hatte, scheint den Berufswechsel nicht zu bereuen. Mit seinem Einkommen ist er zufrieden, auch wenn er mit dem Erlös aus dem Verkauf seiner Honige wohl kein Vermögen anhäufen kann. Der Absatz ist jedoch garantiert. Die Hamburger lieben Honig aus dem eigenen Stadtstaat, und Iblhers Honige unter der Marke "Elbgelb" stehen in den Regalen einiger der renommiertesten Lebensmittel-Supermärkte. Neben Hamburger Lagenhonig und Sortenhonig gibt es den Honig auch in der Wabe direkt beim Imker für den Kenner - wenn er denn Glück hat - also ungeschleudert. So  wie es in vielen  Ländern des Mittelmeerraums üblich ist, seit Jahrtausenden.  Auf die Frage, ob denn angesichts der Wichtigkeit der bienenpflegerischen Arbeit Imker nicht wie Landwirte in den Genusss staatlicher Subventionen kommen sollten, verneint Iblher ohne zu zögern. Sein Hauptargument: wo Subventionen, da staatliche Bevormundung und Gängelei.Nach einer längeren Diskussion und dem Hinweis, dass doch gerade die in der nahen Großmarkthalle gehandelten Produkte zu einem großen Teil ohne Bienenfleiß nicht existieren würden, rückt er von seiner Haltung in so weit ab, als er, der sich als Landmann ohne Land versteht, direkte Hilfen nicht, indirekte Unterstützung zum Beispiel über die Steuergesetzgebung oder Prämien für naturpflegerische Tätigkeiten überlegenswert fände.

 

            

Ende August, als diese Aufnahmen gemacht wurden, war es schon eng geworden mit der Blütenpracht, an der sich Bienen satt saugen können. Nur Efeu bot sich noch großflächig an. Und so holte Iblher Kanister nach Kanister aus seinem Wagen, gefüllt mit Zuckerlösung als Zusatzfutter für seine Bienenvölker. Mit dem einzigen Werkzeug, das er benötigt, einem Ritzenschaber nicht unähnlich, öffnet Iblher vorsichtig das, was bei der Ankunft noch als undefinierbare Holzkisten am Rand stand. Mit klaren Worten wird der Fotograf darauf hingewiesen, dass er sich gefälligst nicht auf die abgewandte Seite mit den Fluglöchern stellen möge. Das hätten die Hausbewohner gar nicht gerne, die sich im Zweifelsfall zu helfen wüßten, um unerwünschte Besucher zu vertreiben, was sie im Fall des Berichterstatters dann auch gnädig nur  mit einer Verwarnung bedachten.

 

Bienen sollen angeblich summen, wovon trotz starker Präsenz nichts zu vernehmen war. Zu lärmend ist der Verkehr zur Schiene und Straße. Er werde nur ganz selten gestochen, meint der Imker, der mit seinen Bienen umgeht, als kenne er jede einzelne von ihnen persönlich und als habe er auch jeder einen Namen gegeben. An diesem Tag im August scheint alles in Ordnung zu sein mit den Völkern. Nachdem das Zuckerwasser aufgefüllt ist und der Fotograf meint, alle wesentlichen Elemente abgelichtet zu haben, wird alles wieder an Ort und Stelle gebracht, Deckel drauf und in Hamburg sagt man Tschüß. Bis zum nächsten Mal. 

Das nächste Mal muss nicht zwangsläufig an der selben Stelle sein. Standorte werden regelmäßig überprüft, denn so Stephan Iblher auf seiner Homepage: " Bienenhaltung ist Landwirtschaft ohne eigenes Land. Entsprechend aufwändig ist die Organisation der Standorte. Manchmal verhindern Veränderungen im Umfeld die weitere Bienenhaltung oder wir haben einen Platz einfach falsch eingeschätzt und geben ihn auf."   

 

Stephan Iblher hat es geschafft, eine höchst interessante Webseite aufzubauen, deren Besuch sehr empfohlen wird: https://elbgelb.de/

 

Eine persönliche Bemerkung zum Schluss sei erlaubt, auch wenn sie wohl keinem Imker der Welt gefallen wird. Ich finde Wespen, Hornissen und Hummeln schöner als Bienen, auch wenn ich bekennender Honigfan bin, der sich einen Tag ohne Honig zum Frühstück nicht vorstellen mag und der immer für ausreichende Vorräte monofloraler Honige sorgt. Von Orangenblüten- über Riesenfenchelhonig bis zum raren mallorquinischen Johannisbrothonig, Algarobbo oder auch Garofer genannt - alles wird genossen. Hoffentlich auch bald die neue Sorte "Großmarkt Ost".

 

Andreas Pawlouschek im Oktober 2020

Text und Bilder copyright NewsAndMore-Mediaservice, Hamburg