Besuch in der Süderstrasse

 

 

Wer noch überzeugt werden will, wie die moderne Wegwerfgesellschaft funktioniert, dem sei in diesen Tagen der Besuch eines Tierheimes empfohlen. Nirgends zeigt sich deutlicher, wie perfide Menschen mit anderen Lebewesen umgehen können. Zu Weihnachten geschenkt, nach Neujahr entsorgt. Beispiel: Süderstrasse 399 in Hamburg.

  Eine junge Frau sitzt auf einem Stuhl. In Ihren Händen hält sie ein schwarzes Wollknäuel, das etwas widerstrebend noch an einer Flasche zuckelt. Das Wollknäuel ist eines von drei Hundekindern, die im Tierheim an der Süderstrasse eingeliefert wurden. Die zwei Geschwister warten in einem Pappkarton darauf, die gleiche sorgfältige Betreuung zu erfahren. Um sie kümmert sich liebevoll eine zweite Pflegerin. Zum Tollen sind die Kleinen scheinbar noch zu schwach. Sie waren kaum eine Woche auf der Welt, als sie bei Temperaturen um und unter dem Gefrierpunkt neben Müllcontainern abgestellt, entsorgt wurden. Nun sind sie auf dem Weg der Besserung und werden irgendwann Menschen finden, die sie gut versorgen und vielleicht auch lieben. Wie den drei Geschwistern ergeht es in diesen Tagen nach Weihnachten und Neujahr tausenden Tieren in der Republik. Sie wurden als Hunde, Katzen, Papagei, Meerschweinchen oder Kaninchen verschenkt bis die so Beschenkten merkten, dass sie ein Tier bekommen hatten. Ein Lebewesen, dass umsorgt werden will, das fressen oder Gassi gehen muss, dass auch einmal einen Arzt braucht und vor allem, um das man sich kümmern muss, das Streicheleinheiten einfordert und auch einmal etwas zerkratzt oder anbeißt, das also auch unbequem werden kann. Was also tun, wenn man das Geschenk als Ärgernis, als überflüssig und unpassend empfindet? Mit einem Kassenbon versehen zum Verkäufer gehen – umtauschen? Geht nicht – ist ja keine Handelsware allgemeiner Art. Und so finden sich viele Tiere schutzlos in der kältesten Zeit des Jahres ausgesetzt auf Straßen, Parkplätzen oder eben neben Müllcontainern wieder mit einer sehr ungewissen Zukunft.

 

Variante zwei der Entsorgung ist eher erträglich: direkt im Tierheim abgeben mit der Auskunft, man habe das Tier auf einer Raststätte der Autobahn herrenlos aufgegriffen. Aussagen, die von den erfahrenen Mitarbeitern eines Tierheims ebenso skeptisch zur Kenntnis genommen werden, wie der Hinweis auf eine Allergie. „Sie glauben nicht, wie viele Allergiker in Hamburg wohnen“ meint denn auch eine längjährige Mitarbeiterin im Heim des Hamburger Tierschutzvereins von 1841 im Osten der Hansestadt Hamburg. Hier kümmern sich achtzig Mitarbeiter darum, dass es auch diesen Neuankömmlingen gut geht. Ärztliche Versorgung ist so selbstverständlich wie die Flasche Milch, Streicheleinheiten und saubere und warme, artgerechte  Unterkunft, häufig mit anderen Leidensgenossen zusammen. So läßt es sich gut spielen und kuscheln. Der Verein hat eine große und lange Geschichte aber auch eine etwas weniger ruhmreiche Phase in der Gegenwart. Das ist ausgestanden und mit einem neuen Vorstand geht der Verein seit 2008 wieder mit Elan seine Kernaufgaben an, für die er im abgelaufenen Jahr etwa vier Millionen Euro benötigte, vierzigtausend mehr als verfügbar. Spenden, Mitgliederbeiträge aber auch Sponsoren aus der Futtermittelindustrie und dem Handel sind ebenso unverzichtbar wie ehrenamtliche Hilfe. So gelingt es ein augenscheinlich hervorragend gepflegtes Areal zu unterhalten, auf  dem etwa eintausend Tieren gut und liebevoll versorgt sind, um möglichst bald an neue, bessere Eltern vermittelt zu werden. Doch das Glücksgefühl bei den Mitarbeiter über dreißig vermittelte Katzen kennt seine Grenzen bei fünfzig neu eingelieferten Tieren. Und dass manche Bewohner nicht mehr oder nur nach sehr langer Zeit vermittelt werden können, wird auch hingenommen, muss wohl hingenommen werden. So gehört ein prachtvoller Alexandersittich  plötzlich zum Inventar eines Tierheims – auf unbestimmte Zeit.

 

Wenn Sie mehr wissen möchten - hier einige nützliche Links:

 

www.hamburger-tierschutzverein.de/cms/index.php

www.tierschutzbund.de/