Woche 11 Das grüne Herz

Das grüne Herz Hamburgs

oder: Die Großmarkthalle für fast jedermann

Einmal im Jahr öffnen sich die Tore dieses imponierenden und zu Recht, wenn auch sehr spät, ausgezeichneten Baus der Öffentlichkeit, dann nämlich, wenn am zweiten Wochenende im September der "Food Market" Freunde und Genießer naturnaher Ernährung und feinen Essens einlädt. Dann ist hier ein Gewusel, eine Enge und manchmal auch Hektik, wie das ganze Jahr über nicht. Und mancher Besucher mag sich gewünscht haben, wiederzukommen, um zu erleben, wie es hier nächtens zugeht, wenn Gemüse, Obst und Blumen angeliefert und umgeschlagen werden. Der Wunsch muss bis in die Chefetagen der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, der Trägerin des Großmarktes gedrungen sein. Vielleicht auch, weil der Presse-Platzhirsch, das Hamburger Abendblatt, das Thema in regelmäßig-unregelmäßigen Zeitabständen je nach Interessenlage hochbringt, um es auch bald danach wieder fallen zu lassen. Nun denn:  Am 16ten März 2018 pünktlich um 5 Uhr und 45 Minuten war es endlich so weit.

Premieren-Besuch an ungewöhnlichem Ort

Es war kalt, für Mitte März sehr kalt sogar, als sich zwei handvoll Frauen und Männer freiwillig auf den Weg in die Bankenstraße aufmachten, um sich vor dem Tor West der Großmarkthalle zu sammeln. Mindestens genau so viele waren unfreiwillig derart früh aufgestanden.Es waren Vertreter von Presse und Rundfunk, die von ihren Redaktionen den Auftrag bekommen hatten, dieses ganz besondere Ereignis in der sonst nicht sonderlich ereignisreichen Hansestadt wahrzunehmen.

           

Und wo Gäste sich einfinden, sind Gastgeber nicht weit. Ihnen schien das Los der frühen Stunde allerdings nichts auszumachen und so wurden die Besucher bereits am Tor auf das herzlichste begrüßt. Selbst die Chefin der Abteilung "Marketing and Public Relations", Alexandra Wagner (o.m./u.r.), hatte es sich nicht nehmen lassen zu erscheinen, verbreitete der Kälte zum Trotz gute Laune und verteilte strahlend-grelle Warnwesten - grüngelbliche. 

        

 

Doch halt: Einer hält sich nicht an die Kleiderordnung und trägt schockorange. Er erinnert an die Fremdenführer in Touristenhochburgen, die stoisch ein Fähnchen hochhalten, scheinbar ohne dass ihnen je der Arm abstirbt, um Ihre Schafe nicht zu verlieren. Es ist Joachim Köhler. Fast ein halbes Jahrhundert lang, siebenundvierzig Jahre, um genau zu sein, kaufte und verkaufte er Obst und Gemüse hier im grünen Herz der Hansestadt. Und als die Idee zur Wirklichkeit umformatiert und die erste Führung anberaumt wurde. wurde er gefragt und sagte wohl freudig zu, den ersten Cicerone zu spielen. Und das tat er dann zwei Stunden lang mit verblüffender Sachkenntnis. Zunächst etwas zurückgenommen, im weiteren Verlauf jedoch zunehmend spritziger und vor allem auch durchaus humorvoll. Zum Beispiel, als er auf die Frage, wie denn die Preisgestaltung von statten ginge, meint: wenn das Fernsehen für ein Region in Italien schlechtes Wetter ankündige, stiegen in der Halle sofort die Preise, unabhängig ob die Prognose stimme oder auch nicht. Mit Herrn Köhler, dem auch an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt sein soll, hätte man sich nach beendeter Fürhrung gerne noch in die Wirtschaft "bei Drews" im Bereich des Blumenmarktes zurückgezogen - der Gesprächsstoff wäre sicherlich nicht so schnell ausgegangen.

            

copyright Großmarkthalle Hamburg (3x)

Noch bis 1962 befand sich der Hamburger Großmarkt in den Markthallen, in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof, die seit einigen Jahren u.a. dem Haus der Fotografie eine würdige und räumlich sehr großzügige Heimstatt bieten, in der sich nicht nur Freunde der Bildkunst wohlfühlen. Und auch wenn es die einst größte Airlines der Welt, die Pan American längst vom Markt vertrieben hat, an den Transportwegen hat sich nichts wirklich fundamentales verändert. Und je ungestümer Konsumenten genau zu den Zeiten bestimmte Früchte und Gemüse auf dem Teller haben wollen, zu denen sie zu Hause garantiert nicht wachsen oder gar reifen könnten, so lange werden alle jene auch gut verdienen, die am Transport und Warenumsatz beteiligt sind, der Umwelt zum Trotz.

Die Nacht als Werktag

Spätestens, wenn einer, oder mehrere Gabelstapler zur selben Zeit, fast still den Weg der Besuchergruppe kreuzt, hat man verstanden, warum Warnwesten angelegt werden mussten, denn auch hier gilt "safety first". Der ungewohnte Anblick der Besuchergrupe kam für manchen Arbeiter offenbar überraschend. Die Einen reagierten freundlich und interessiert, andere widerum taten gleichgültig und verrichteten weiter ihre Arbeit. Einige wenige zeigten unverholen, dass man störe oder sparten auch nicht mit spöttischen, agresssiv unterlegten Worten -  in ihrer Muttersprache allerdings. Dann gab es glücklicherweise auch Mitarbeiter, die sich gerne ablenken ließen und einen Klönschnack im Stehen hielten. Als Erinnerung baten sie darum, fotografiert zu werden. Der Wunsch konnte erfüllt werden:

   

Ein wenig Fakten können nicht schaden und so sei aus einem charmant gemachten Flyer zitiert, herausgegeben von der Großmarkthalle und ebenso liebevoll wie zutreffend "NACHTAKTIV" betitelt: Dort heißt es: "Etwa 1,5 Millionen Tonnen Frischwaren werden auf dem 27,3 ha großen Gelände mit der denkmalgeschützten Halle... jedes Jahr umgeschlagen. Vorwiegend nachts und in aller Frühe an 365 Tagen." In dieser Satdt in der Stadt arbeiten etwa 3.500 Menschen, manche bereits in der 5ten Generation." Manches wußte man bereits, als man sich zu dieser Führung anmeldete, anderes überraschte dann doch sehr. Zum Beispiel die Tatsache, dass auf dem Gelände des Marktes auch Salate und Kräuter angebaut wurden. Ganz im Sinne von Slow Food und dem Prinzip der kurzen Wege vom Erzeuger zum Verbraucher. Oder dass für die Halle extra ein Kanal gebaut wurde, um auch vom Schiff aus verderbliche Ware auf kürzest möglichem Weg anzulanden - einen Kanal, der nie genutzt wurde. Warum nicht, blieb alllerdings offen.

       

Ein Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland

       

Bis zum Jahre 2017 war in der Freien und Hansestadt Hamburg lediglich ein Bauwerk von der Bundesingenieurskammer als historisches Wahrzeichen der Ingenieursbaukunst in Deutschland ausgezeichnet worden: Der Alte Elbtunnel, der die Landungsbrücken im Norden mit dem Hafen- und Werftenviertel im Süden der Elbe verbindet und so vor allem den dort Werktätigen den Weg  von und zur Arbeit ganz erheblich verkürzt. Die Großmarkthalle ist derart groß und bereits von Weitem zu sehen, vielleicht mittlerweile zu groß, dass vor einigen Jahren ein Veranstaltungssaal, das "Mehr! Theater" hineingequetscht wurde und nun die grandios-großzügige Betonbogenarchitektur kleinmacht. Wo Hamburger Peffersäcke eine lukrative Einnahmequelle wittern, schrecken sie eben vor nichts zurück - auch nicht vor einem Wahrzeichen. Mehr hierzu bei NewsAndMore 2017.

 

Blick von der Großmarkthalle zur Elbphilharmonie

Wer bei der Anreise das Privileg hatte, von Westen kommend dem bevorstehenden Sonnenaufgang entgegenzufahren, konnte bei der Fahrt entlang Hafen und Speicherstadt tief durchatmen, so schön war der Anblick dieses Teils Hamburgs, so ruhig und majestätisch, wie man es während des Tages nie erleben kann. Und selbst als bei der Rückfahrt nach Westen, die fahle Morgensonne im Rücken, die Stadt sich erst zu bewegen anfing, ging der Blick weit bis zum neuen Wahrzeichen der Stadt, der Elbphilharmonie, der Kürze und nicht unbedingt der Liebe zu diesem Beispiel unhanseatischer Gigantonomie wegen ElPhi genannt.

Und zwischen Speicherstadt und Hafencity, den harten Kontrast hat man inzwischen auszuhalten gelernt, kehrten die Gedanken noch einmal zurück zu den Mitarbeitern im "Grünen Herzen" der Freien und Hansestadt, die nach zermürbender Nachtarbeit endlich Feiermorgen machen konnten. Nachtarbeit wird in vielen Bereichen der Wirtschaft und im Öffentlichen Dienst geleistet. Hier erscheint sie mir jedoch besonders fordernd, denn es gibt keinen Wechsel, kein gelegentliches Ausweichen in bequemere Tagschichten. Ein wenig Respekt schwang deshalb mit bei dem Blick zurück .

Zum Abschluss, oder fast zum Abschluss noch ein Blick in den farbenprächtigen Gemüse- und Obstkorb, den die Händler der Großmarkthalle präsentierten. 

 

Bei NewsAndMore finden sich weiterführende Informationen zum Thema "Wahrzeichen der Baukunst"   hier

 

Den "Food Market" besucht Andreas Pawlouschek gerne mit und ohne Kamera. Hier ein Bericht aus dem Jahre 2015 (zur Zeit aus technischen Gründen nicht zu erreichen)

 

Gerne wird auch auf einen Artikel verwiesen, der im "Hamburger Abendblatt" erschien und der von Marlies Fischer verfasst wurde:

https://www.abendblatt.de/hamburg/article213738515/Der-Grossmarkt-ein-Besuch-im-gruenen-Herz-der-Stadt.html

Die Kollegin Fischer zu begleiten, wie sie in klassischer Journalistinnen-Manier mit Ringheft und Stift unterwegs war und das gutgelaunt, war vergnüglich und ist ein Sonderbild wert. 

     

Neben Marlies Fischer thront ein Original, zwar noch nicht so lange wie die englische Königin Elisabeth II, aber immerhin ist auch Heiner Wischendorf seit bald vierzig Jahren mit dem Großmarkt verwachsen. Er hat zu Hause, unweit der Hamburger Innenstadt auf 8-tausend Quadratmetern unter Glas Kräuter angepflanzt - von Basilikum bis Thymian. Er doziert,wie lange das eine und wie kurz das andere Kraut braucht, bis es geerntet werden kann - und alle hören gespannt und durchaus auch amüsiert zu.

Allen Mitarbeitern der Großmarkthalle, die diesen frühmorgendlichen Rundgang zum Erfolg werden ließen, sei gedankt auch für den oben zu sehenden Reiseproviant. Und wer an einem Besuch der Großmarkthalle interessiert ist, kann sich unter www.grossmarkt-hamburg.de/fuehrungen.html anmelden. Es wartet Infotainment auf hohem Niveau. Viel Spaß!