Derby in Hamburg

Deutsches Spring- und Dressur-Derby 2022

Toller Reitsport - Mieses Wetter

 

Derby 2022 Publikum im Regen        Derby 2022 Meyer Mittwoch

Endlich reiten sie wieder, werden geritten und gefeiert von einem sachkundigen und begeisterungsfähigen Publikum in Klein Flottbek, einem Nobelvorort in Hamburgs Westen. 1920 erstmals veranstaltet, ist dieses älteste deutsche Reitturnier mit seinem extrem schwierigen Parcours nach Corona bedingten Ruhepausen wie aus einem langen Winterschlaf erwacht. Und es scheint tatsächlich, als sei die Zeit stehengeblieben auf dem herrlichen Parkgelände hoch über der Elbe: Die Wege sind wie immer durch das miese Wetter, das traditionell dazuzugehören scheint, aufgeweicht und die meisten Toiletten verdienen seit Jahren kaum ihren Namen. Doch wen stört das nachhaltig, wenn eine internationale Reiterelite für Spannung pur sorgt. So vor allem am Samstag Nachmittag beim Großen Preis der Longines Global Champions Tour, einer Springprüfung mit Stechen, bei dem die Top dreißig der Weltrangliste startberechtigt sind.

 

 

 

Andre Thieme - Deutschland Zweiter Platz 52.500 Euro Preisgeld

Acht von ihnen hatten die Vorausscheidung fehlerfrei absolviert und ritten nun um die Siegerehre und um insgesamt stolze 300-tausend Euro Preisgeld. André Thieme auf „Chakaria“ startete als erster und legte einen rasanten, dabei sehr ästhetisch schönen Null-Fehler-Ritt in 50.51 Sekunden hin. Dem Applaus nach zu schließen hätte das durchaus bereits zum Sieg reichen können. Doch es sollte kurz darauf anders kommen:

       

Christian Ahlmann - Deutschland Sieger 100-Tausen Euro Preisgeld

Christian Ahlmann, sein Landsmann, als Dritter ins Stechen gegangen liess ebenfalls alle Stangen liegen, wo sie waren, und bei der Zeit nicht mit sich spaßen: 50.51 Sekunden, 0.42 Sekunden schneller als Thieme, eine kleine Ewigkeit auf einer Strecke von 550m auf der sich dreizehn Hindernisse Reitern und Gerittenen in den Weg stellten. Ahlmann und sein Pferd „Dominator“, hier ist nomen wahrlich als omen zu verstehen, waren nicht mehr zu schlagen. Und so wurde wie oftmals in den Vorjahren die Deutsche Nationalfahne für den Sieger gehisst.

           

 

 

 

          

Michael Pender - Irland Zweiter Platz 52.500 Euro Preisgeld

 

Und doch gab es noch eine mittlere Sensation: Der Ire Michael Pender erreichte bei seinem fehlerfreien Ritt auf „Calais“ die selbe Zeit wie André Thieme, mit dem er sich den zweiten Platz teilte. Beide erhielten 52-tausen und fünfhundert Euro Preisgeld. Pender, der in der Vorausscheidung zeitweilig das Feld angeführt hatte, war der einzige ausländische Reiter, der sich zwischen die fünf erstplatzierten deutschen Konkurrenten schieben konnte.

 

          

Janne Friedrike Meyer-Zimmermann - Deutschland Platz 17

 

Fünf Reiterinnen hatten in dem Starterfeld die Männerdomaine durchbrochen: Da sei zunächst und vorrangig Janne Friedrike Meyer-Zimmermann genannt. Dem Liebling des Hamburger Publikums wäre tosender Applaus selbst für den Fall garantiert, dass sie statt mit Pferd mit dem Kinderwagen und ihrem erst wenige Monate alten Sohn namens Friedrich auf dem Parcours erschienen wäre. Mit „Messi van‘t Ruytershof“ zeigte sie einen eleganten Ritt, der leider nicht nur etwas zu gemächlich verlief, sondern wegen eines Abwurfes auch vier Strafpunkte einbrachte. Ein charmantes, in sich gekehrtes Lächeln, schien sie jedoch mit sich und dem Pferd zu versöhnen. Respekt vor dieser Leistung. Und Platz 17 von 33 möglichen bei einem zeitlich sehr eng bei einander liegenden Feld ist ja auch sehr respektabel.

 

 

   

Lily Attwood - Great Britain Platz 25

Vor zwanzig Jahren geboren steht sie wohl erst am Anfang Ihrer Karriere, die Britin Lily Attwood, reitet allerdings bereits höchst routiniert. Ein recht schneller und eleganter Ritt brachte ihr trotz acht Strafpunkten immerhin noch Platz 25 ein. Zu gut könnte man meinen, als dass frau sich darüber grämen und eine Träne aus dem Augenwinkel drücken müsste.

 

           

 Ioli Mytileneou - Griechenland Platz 29

 

Nur unwesentlich älter ist Ioli Mytileneou, die im Alter von nunmehr 25 Jahren bereits auf eine professionelle Karriere als Reiterin von sieben Jahren zurückblicken kann. Wer sie über den Parcours hetzen sah konnte den Ehrgeiz der jungen Griechin fast körperlich spüren. Am Ende rächte sich vielleicht die Ungeduld und so warfen sie acht Strafpunkte trotz oder gerade wegen einer akzeptablen Zeit auf den vorletzen Platz zurück. Der sympathisch lange Applaus, der den drei Reiterinnen gezollt wurde, mag diese vielleicht nicht für das Verpassen besserer Platzierungen entschädigen, zeigte jedoch, wie herzlich willkommen Frauen in der noch immer männlich dominierten Reiterwelt sind. Tendenz - stark ansteigend.

 

 

           

John Whitaker - Great Britain Platz 12

 

Einen Reiter möchte NewsAndMore aus dem Starterfeld hervorheben, der seit Jahrzehnten auf nahezu allen bedeutenden Turnieren und Olympischen Spielen dabei war und noch immer dabei ist und durchaus vorne, ganz vorne mitmischt: John Whitaker. Der immerhin bereits 67 Jahre alte Brite gilt in der Reiterwelt als Ikone und Grandseigneur. Seine mustergültige Sportlichkeit lässt ihn noch immer als Leitfigur für viele Nachwuchsreiterinnen und -reiter erscheinen. Er und sein Bruder Michael Whitaker waren vor allem in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts so etwas wie Aushängeschilder der britischen Reiterschaft. An Hamburg hat John Whitaker leider nicht nur gute Erinnerungen: 2006 stürzte er in der 2ten Derby Qualifikation derart schwer, dass es lange nach einem Ende seiner Karriere aussah.

 

Jack Whitaker - Great Britain Platz 16

 

Mit dem Ritt des Neffen, Jack Whitaker, dem hochtalentierten Sohn von Bruders Michael Whitaker zeichnet sich bereits überdeutlich der Generationenwechsel an, auch wenn der Onkel in Hamburg noch um 1,37 sec. schneller durchs Stechen kam. Vier Strafpunkte kassierten beide - kaum aus familiärer Solidarität.

 

 

Etwas abseits vom großen Rummel um die Springerei gaben die Dressurreiterinnen und Dressurreiter in der neu gestalteten Anrecht-Investment-Arena  mehr als eine Probe ihres Könnens. Höchst spannend dabei der Internationale Große Preis mit Pferdewechsel, den es nach Informationen des Veranstalters so nur hier beim Derby in Hamburg gibt. Eine Reiterin trat im Finale gegen zwei Reiter an - und siegte: 1. Kathleen Kröncke 2. Frederic Wandres 3. Hendrik Lochthowe. Wenn auch das Publikum durchaus zufrieden schien, dem Dressur Derby könnte eine Aufwertung durch höherkarätige Meldungen durchaus gut zu Gesicht stehen.

 

 

Schlussbemerkung: Im letzten großen Wettbewerb siegte am Sonntag Cassandra Orschel. Die für Polen startende Hamburgerin sorgte für eine, auch unter Experten nicht vorhergesehene, Sensation. Im entscheidenden Stechen blieb nur sie fehlerfrei. Seit 1975 hatte keine Frau mehr das prestigeträchtige Derby gewinnen können. Der Autor verzichtete auf eine ausführliche Berichterstattung über all die Wettbewerbe, bei denen Pferde über einen steilen und hohen Wall gezwungen werden. Er empfindet durchaus Sympathie mit den Menschen, die hierin eine kommerzielle, sensationslüsterne Form von Tierquälerei sehen.

 

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Autor und Fotograf Andreas Pawlouschek

 

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