Winter auf Mallorca

 "Ein Winter auf Mallorca"

 von George Sand, Chopin und anderen Touristen 

 

Am 13ten Februar 1839 verließ das wohl erste Promi-Paar, das sich auf Mallorca niedergelassen hatte, wieder die Insel. Nur knapp einhundert Tage lang hatte George Sand es mit ihren Kindern und dem berühmten Komponisten und Klaviervirtuosen Frédéric Chopin in der aufgelassenen Kartause von Valdemossa ausgehalten. Die Zeit auf der Insel, von Sand festgehalten in "Ein Winter auf Mallorca" kann nicht unbedingt als gelungen bezeichnet werden. Das lag einerseits daran, dass sich der Gesundheitszustand des lungenkranken Chopin verschlechterte statt zu verbessern; zum anderen an der Grundeinstellung der nicht ganz uneitlen George Sand, der hier nicht die aus Paris gewohnte Anerkennung, Verehrung und Begeisterung entgegengebracht wurde, was sie wohl als unpassend empfand. Und umgekehrt akzeptierten die Insulaner sie nur "nolens volens", so wie man Menschen betrachtet die einem Geld bringen, die man aber nicht mag. Hinter vorgehaltener Hand wurde sie gerne auch als "Hexe" bezeichnet. Das zwiespältige Verhältnis der Schriftstellerin zu Mallorca und seinen Menschen fand seine Entsprechung in der Einstellung der Mallorquiner zu dem Künstlerpaar aus Paris, das für die strenggläubigen Insulaner in Unzucht lebte - Sand und Chopin waren nicht verheiratet. Mit "Ein Winter auf Mallorca" und später ihrer Autobiographie machte Sand Mallorca erst richtig bekannt und löste eine Entwicklung zum Tourismus aus, von dem bis heute nicht gesagt werden kann, ob zum Guten oder weniger Guten.

2017 -  Blick vom Kap Formentor nach Norden

Die Insel ist schön und George Sand hatte durchaus einen Blick für die einmaligen Landschaften, die zu Beginn des 19ten Jahrhunderts noch nicht verbaut waren. Den Menschen auf Mallorca allerdings konnte sie nur wenig oder auch gar nichts abgewinnen. Im Gegenteil, immer wieder schlägt bei Ihren Schilderungen Verachtung, wenn nicht sogar Hass durch. Wenn sie sich etwa über den Geruch des ihrer Ansicht nach minderwertigen und überlriechenden Olivenöls ausläßt, so liest sich das so: "Wird einem an der unwirtlichsten und einsamsten Stelle dieser Duft zugetragen (von Olivenöl Anm.d.Verf.), braucht man bloß aufzuschauen; man wird in hundert Schritten Entfernung einen Mallorquiner auf seinem Esel sehen, wie er den Hügel auf einen zutrabt. Das ist kein Witz und keine Übertreibung, sondern die reine Wahrheit." Eine Wahrheit, so wie George Sand sie sah und roch.

            

Ballermann als Auslaufmodell

oder ist Ballermann doch noch überall

 

 

Einhundertundachtundsiebzig Jahre später muss sicherlich niemand mehr befürchten, durch übel nach ranzigem Olivenöl stinkende, auf Eseln reitende mallorquinische Bauern belästigt zu werden. Ärgernisse bieten sich aber dennoch zu Hauf dort, wo der Mensch in seinem unstillbaren Drang nach dem schnellen Geld sich an der Natur und an Stadt- oder Dorfarchitektur vergangen hat. Besonders krass entfalten zum Beispiel schnell und billig hingezimmerte Biergärten ihren fragwürdigen Charme, wenn sie außerhalb der Saison nackt zeigen, was wirklich in ihnen steckt, wenn eben nicht Horden bierseliger Touristen dicht an dicht von weitem wenigstens ein buntes, quirrliges Bild abgeben. Den Behörden scheint es keineswegs egal zu sein, welchen Eindruck die Ortschaften an der Küste abgeben. So wurde das Ausschenken von Sangria oder später Bier in Eimern aus denen dann mit langen Strohhalmen getrunken wurde, wodurch Mensch noch schneller zu seinem Rausch kam, verboten. Es ist zu hoffen, dass es diesem Verbot nicht so ergeht wie diversen Bauverboten: Kaum verhängt wurden sie auch wieder gelockert oder sogar gänzlich aufgehoben. Was den Gelegenheitstourist, der im Winter 2017 nach dreiundzwanzig Jahren erstmals wieder auf die Insel kam, am meisten überraschte, war der erkennbare und uneingeschränkte Drang, Städte, Gemeinden und selbst die Gräben entlang der Landstraßen und Schnellstraßen sauber zu halten. Daran könnten sich deutsche Kommunen  durchaus ein Besipiel nehmen.

 Stille Schönheiten der Insel

Mallorca 1994

Als der Autor 1994 das erste mal Mallorca besuchte in der Absicht, sich dort einen Zweitwohnsitz zuzulegen, schien es ihm, als würde der Puls der mallorquiner Zeit deutlich langsamer schlagen, als im hektischen Nordeuropa. Gut, Ballermann in Arenal war in Ansätzen bereits erkennbar, Palma eine pulsierende Stadt, doch nirgends drängende Fülle und die Straßen über Land waren genüßlich ohne Stress zu befahren  - wenn man von der Strecke nach Cap Formentor absieht, die ehemals viel schmaler war und von noch mehr Radfahrern, auch professionellen befahren wurden als heutzutage. Quantensprünge wie in der Fotografie beim Wechsel von analoger zu digitaler Technik lassen sich auf Mallorca sicherlich nicht ausmachen. Wohl hat sich Alcudia noch weiter den Küstensaum entlang geschlichen, Cala Millor erscheint schon aus Kilometern Entfernung wie eine schlechte Kopie von Benidorm, und Cala d'Or bedeutet einen Kulturschock der besonderen Art, aber Mallorca besteht glücklicherweise auch aus alten Fischerdörfern wie Cala Figuera und Portocolom, Hier kann man, wenn im Februar die Sonne scheint, der Himmel kaum Wolken kennt und wohltuende Temperaturen Körper und Geist erwärmen, wahrlich die Seele baumeln lassen. Und wenige Kilometer von der Küste entfernt warten Kleinodien wie Artá im Nordosten mit architektonischen Schönheiten, regem sozialen Leben, einem herrlichen Markt unter freiem Himmel und einem in einer städtischen Halle, und selbst einem Theater auf. Auf dem dienstäglichen Bauernmark fand sich sogar eine Rarität: Honig aus den Blüten des Johannisbrotbaums - Algarobbo. Eine Delikatesse...

       

Cala Figuera                                                                                   Portocolom

 

In dieser Zeit erholen sich aber auch die meisten Gastronomen und ihre Mitarbeiter von dem Dauerstress der Saison, die hier lediglich von einigen wenigen Wochen zu Beginn des Jahres unterbrochen wird. Des einen Freud.... Der Autor und seine Frau, bekennende Genießer und Sternefresser konnten ihrer Leidenschaft kaum frönen. Doch das kulinarische Schicksal meinte es gut, und so fand man sich Dank der Empfehlung von Freunden  Mitte Februar an einem Montag  Mittag im Landesinnern in einer alten, mit viel Geschmack zum Restaurant umgewandelten alten Mühle zu einem köstlichen Essen mit vorzüglichen Weinen ein. Es galt einen Geburtstag zu feiern. Und es war der 13te Februar. Auf den Tag genau 178 Jahre nachdem George Sand mit Entourage und einem Schiffsbauch voller Schweine, die nach Katalonien exportiert wurden, in Richtung Barcelona in See stach. So musste sie den Odor Mallorcas noch ertragen, als sie der Insel längst den Rücken gekehrt hatte. Eine späte Rache der Mallorquiner an der feinnasigen Dame aus Paris.

Empfehlung litararisch:

George Sand:  "Ein Winter auf Mallorca". Büchergilde Gutenberg, FFM 1976

Empfehlung kulinarisch:

"Moli des Torrent" in Santa Maria del Cami. Restaurantkritik unter:

 https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g580315-d1651468-r462045098-Moli_des_Torrent-Santa_Maria_del_Cami_Majorca_Balearic_Islands.html

 

Text & Bild copyright Andreas Pawlouschek, nmms 2017